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»Die DDR war das Paradies«

Die Halle 14 und die Moritzburg Halle suchen nach den Wirkungskräften der DDR

  »Die DDR war das Paradies« | Die Halle 14 und die Moritzburg Halle suchen nach den Wirkungskräften der DDR

Schwarz-weiß-Fotografien zeigen ein Schloss, Fahnenappelle, Unterrichtsszenen. Eine Frauenstimme erzählt von den in den Bildern verborgenen Farben und hält fest: »Die DDR war das Paradies.« Sie berichtet von ihrer Kindheit in Ostdeutschland, fern ihrer Heimat Namibia. Die über 400 Kinder, die seit den siebziger Jahren in Bellin, Staßfurt oder Löderburg aufwuchsen, sollten zur Elite ausgebildet werden, um das Heimatland später anzuleiten. Katrin Winkler (*1983 in Starnberg) interviewte für ihre Videoinstallation »towards memory« einige Frauen und stellt deren DDR-Erinnerungen Bildern der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag von Windhoek gegenüber. Dass das Paradies auch mit einigen Rissen versehen war, ist nicht nur bei Winkler zu hören.

Von größeren und kleineren Rissen erzählt die Ausstellung »Requiem for a failed state« in der Halle 14. Dabei kommen Kunstschaffende zu Wort, die in der Mehrzahl die DDR nur wenige Kinderjahre erlebten oder in den achtziger Jahren in der BRD aufwuchsen.

Für den Kurator Michael Arzt (siehe kreuzer 2/2018) war es wichtig, dass diese jüngeren Künstler zu Wort kommen, um ihre Sicht aus der dritten Generation nach der Wende abseits vom Wende-Betroffenheitskult kundzutun.

Malte Wandel (* 1982 in München) stellt »Olga, Miguel und Nelson« in Fotografien und Videoinstallationen vor. Es ist eine Reise in die frühen neunziger Jahre. Ein Nachrichtenbeitrag erzählt vom Trauergottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche für den ermordeten Jorge Gomondai. Er war mit Olga befreundet und fiel im April 1991 einem rassistischen Überfall am Albertplatz zum Opfer. Während der Superintendent zur Solidarität aufruft, wartet vor der Kirche bereits der Nazimob.

Ein Brief seiner Freundin aus Oschatz an den ehemaligen Vertragsarbeiter Nelson, der von dort zu Beginn der neunziger Jahre wieder nach Mosambik aufbrach, berichtet in einfachen Worten von der damaligen Atmosphäre und warnt vor der Rückkehr: »Es gibt keine Arbeit und der Hass unserer Menschen auf Ausländer ist zur Zeit sehr schlimm. Warte aber bis ungefähr 1992. Solange werden wir brauchen Ordnung in unser Land zu bringen.«

Der Hass war bereits vor 1989 zu finden. Straßenschilder erinnern an Opfer aus Kuba und Mosambik, die in den siebziger und achtziger Jahren ermordet wurden.

Humoreske Momente beschert dagegen das Künstlerduo Klozin (Wilhelm Klotzek, *1980 Ost-Berlin, und David Polzin, *1982 Henningsdorf) mit seiner Arbeit »Transgender in Hoyerswerda«. Dabei dient die drittgrößte Stadt in der Oberlausitz als Folie für unterschiedliche Szenarien nach der Wende, die das Duo in acht Miniaturszenarien auf einem großen Podest präsentiert – etwa »Sabine K. versäuft ihr Begrüßungsgeld in einer Westberliner Kneipe« oder »Harald Jäger am Telefon. Böse Brücke, Berlin 1989«, um die Situation an der Bornholmer Brücke am 9. November 1989 etwas auf die Schippe zu nehmen.

Als Material dienen Zigarettenüberreste und Zigarettenschachteln, die bisher bei der Bewältigung von Wende-Erlebnissen eher keine Rolle spielten.

Die eigene Familiengeschichte als Ausgangspunkt für eine künstlerische Arbeit zu stellen, mag auf den ersten Blick nicht so verwegen klingen, aber auch dies förderte einige Konflikte zutage. So wollte Susan Donath (*1979 Apolda) die Stasi-Akten ihrer Familie verbrennen und sie symbolträchtig in einer Urne beerdigen. So einfach der Plan schien, umso mehr Konflikte tauchten plötzlich in der Familie auf, so dass es die Urne noch nicht unter die Erde schaffte.

Sven Johne (*1976 Bergen) verbindet wiederum in der Fotografie-Text-Serie »Wanderungen durch die Lausitz« sagenumwobene Berichte über angsteinflößende Wölfe. Um sich selbst ein Bild zu machen, bricht der Ich-Erzähler in Richtung deutsch-polnische Grenze auf. Ausgestattet mit Nachtsichtgerätschaft kann der Wanderer lediglich Geräusche wahrnehmen und fotografiert in die Richtung, aus der sie stammen. Wölfe sind auf den Fotografien nicht zu finden, stattdessen geisterhaft wirkende Ortschaften. Der Erzähler beschreibt sie als Verlierer von Erwartungen – sei es als Bauland, Gewerbezentrum oder Fabrikstätte. So bleibt viel Platz für die Natur und Schauergeschichten von Wölfen.

Einen ganz anderen Ansatz, um sich mit der Wirkung der DDR auf das Heute zu beschäftigen, wählt die Moritzburg Halle. Die Ausstellung »Ins Offene. Fotokunst im Osten Deutschlands seit 1990« gründet auf der Fragestellung nach dem Einfluss des Systemwechsels auf das eigene fotografische Werk. Nicht nur der Titel verweist auf die Schau »Geschlossene Gesellschaft. Künstlerische Fotografie in der DDR 1949–1989« in der Berlinischen Galerie 2012/13, sondern erweitert diese um mögliche Veränderungen und auch Optionen, die das neue System bereithielt. Einem Vorher-nachher-Vergleich stellen sich die Arbeiten von Sibylle Bergemann, Klaus Elle, Thomas Flurschuetz, Ute und Werner Mahler, Florian Merkel, Rudolf Schäfer, Hans-Christian Schink und Erasmus Schröter. Aber auch westdeutsche Künstler – wie Katharina Sieverding, Stefan Moses und Michael Weseley – werden befragt, ob sich in ihrem Werk eine Veränderung nach 1989 vollzog.

Die letzten Worte und Bilder sind fast dreißig Jahre nach der Wende keineswegs gesprochen oder gezeigt.


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