anzeige
anzeige
Essen & Trinken

Beim Honigbecher hört der Spaß auf

An diesem Wochenende muss die Wanderimkerei Plagwitz knapp 50.000 Becher umetikettieren

  Beim Honigbecher hört der Spaß auf | An diesem Wochenende muss die Wanderimkerei Plagwitz knapp 50.000 Becher umetikettieren

Seit Freitag und noch bis zum Sonntag starten Freunde und Familie von Christopher Manns Wanderimkerei Plagwitz Am Kanal 30 eine Rettungsaktion zur Umetikettierung der Honigbecher. Vorausgegangen ist ein Lieferstopp wegen eines nicht exakt erklärten Satzes auf den Verpackungen. In einem Aufruf hat der Imker um Hilfe gebeten, da den Ein-Mann-Betrieb diese Aktion mehrere Wochen Zeit – und die Existenz kosten würde.

 

Palletierung öffnen, Karton aufschneiden, vorsichtig einen der zwölf Becher in die Hand nehmen, ein kleines Etikett sauber an die dafür vorgesehen Stelle kleben, weiterreichen – schon nach kurzer Zeit scheinen die Helfer ein eingespieltes Team zu sein. Alle haben ein Ziel vor Augen: Die Aufhebung des Lieferstopps sämtlicher Honige von Imker Christopher Mann.

Die Lebensmittelüberwachung des Veterinär- und Lebensmittelamtes war bei einer Überprüfung im Handel über einen Satz auf den kompostierbaren Bechern der Wanderimkerei Plagwitz gestolpert, in dem zu lesen ist: »In ihm sind Vitamine, Peptide und Enzyme gegen UV-Licht geschützt.« Das ist soweit richtig. Vitamine, Enzyme und Peptide dürfen jedoch auf einer Honigverpackung nicht genannt werden, da sie natürliche Inhaltstoffe des Honigs sind und in jedem Honig vorkommen. Dass dabei eine positive Eigenschaft des aus – ökologischen Gründen extra ausgewählten – Bechers beschrieben wird, ist verboten. Am labortechnisch kontrollierten Honig selbst gab es keine Beanstandungen.

Erfahren hat das Christopher Mann durch einen Anruf im August von eben diesem Amt, das mit dieser Begründung sofort einen Verkaufsstopp ab Imkerei anordnete. Die Gesetzeslage ist eindeutig. Was bei der strengen Maßnahme irritiert ist, dass hier keine Gesundheitsgefährdung durch das Produkt selbst vorliegt, sondern ein nicht genehmigter Satz auf der Verpackung.Christopher Mann hatte sich bei der Gestaltung der Verpackung zwar genau erkundigt, was auf den Bechern zu stehen hat, aber nicht erfragt/gewusst/berücksichtigt, was da nicht stehen darf. Bevor er wieder Honig verkaufen kann, müssen alle Becher überklebt werden. In einem persönlichen Gespräch mit der zuständigen Veterinärin, für das es ein Protokoll mit Datum vom 10. August 2018 gibt, hat er vergeblich versucht, die Lage zu klären. Auch im Gespräch mit der kreuzer-Redaktion gibt er Auskunft: Die Wanderimkerei, vor etwa neun Jahren mit 20 Bienenvölkern gegründet, betreut heute etwa 70 Völker, die am Stadtrand von Leipzig und bei Bitterfeld Blütenstaub sammeln und Waben füllen, aus denen Mann in Handarbeit Honig schleudert, etwa sieben Tonnen pro Jahr in den Sorten Robinie, Linde, demnächst auch Wildblüte. »Normalerweise betreiben Berufsimker als Familienbetrieb so zwischen 300 und 1.000 Völker, ich bin froh, dass ich durch das langsame Wachsen und die lokale Vermarktungsschiene überleben kann«, sagt Mann.

[caption id="attachment_69775" align="aligncenter" width="640"] Foto: Sandra Neuhaus[/caption]

 

 

Der Lieferstopp seit knapp einem Monat bringt die Imkerei an ihre Existenzgrenze, denn die gesamte Produktion ist nach seiner Aussage »prinzipiell unterfinanziert«. Fehlendes Geld macht er durch persönlichen Einsatz wett. Doch da er jetzt in der Saison seit einiger Zeit an der »Kante der Arbeitsbelastung« steht, weiß er eben auch nicht, wo zusätzlich Zeit, Geld und Energie für so eine Mammutaktion der Umetikettierung herkommen sollen. Es geht hier immerhin um 13.500 bereits befüllte, in Kartons verpackte und versandfertig palettierte Honigbecher, dazu zirka 4.500 leere, zum Befüllen vorbereitete Becher und weitere 25.000 auf Lager, denn der Imker muss dem Becherhersteller Mindestabgabemengen garantieren. Bei seiner Betriebsgröße sind das Bechervorräte für mehrere Jahre im Wert von 4.000 bis 5.000 Euro. Die Veterinärin besteht auf der sofortigen Umsetzung der Maßnahme, obwohlvom Honig selbst keine Gesundheitsgefährdung ausgeht. In diesem speziellen Fall reicht ein nicht gesetzeskonformer Satz, der sich rein auf die Verpackung bezieht, aus, die über Jahre aufgebaute Existenz der Imkerei zu gefährden. Und das scheint denn doch völlig überzogen.

Um die Lage sachlich zu klären hat der kreuzer beim Amt angerufen, wo auf das Referat Kommunikation im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters verwiesen wurde. Auf die offizielle Anfrage per Email reagiert der zuständige Redakteur, David Quosdorf, erfreulicherweise sehr schnell: »Da hier ein Verwaltungsverfahren kurz bevorsteht, kann die Stadt Leipzig leider keine Auskunft geben. Wir können Ihnen nur so viel sagen, dass seitens des zuständigen Fachamts in diesem noch nicht abschließend geklärtem Einzelsachverhalt sämtliches Ermessen und maximaler Aufwand bereits mehr als ausgeschöpft wurden.«

Was Christopher Mann bleibt, ist die Hoffnung, dass er jetzt nicht noch zusätzliche Bearbeitungsgebühren an das Amt zahlen muss. Und dass möglichst viele Helfer an diesem Wochenende bereit sind, möglichst viele kleine Etiketten auf die kompostierbaren Becher zu kleben, damit der Lieferstopp aufgehoben werden kann. Vielleicht hilft ja auch jemand vom Amt dabei …

Politiker auf allen Ebenen bis hin zur Bundeslandwirtschaftsministerin haben in den zurückliegenden Monaten das Thema Bienen und deren Bedeutung für die Landwirtschaft, das Klima und das ökologische Gleichgewicht auf der Erde generell in den höchsten Tönen gewürdigt. Gut so! Aber dass ausgerechnet ein kleine Wanderimkerei, mit einem zutreffenden, aber leider nicht erlaubten Satz auf ihren ökologisch korrekten Pappbechern so gesetzeskonform hart in die Zange genommen wird, scheint denn doch wohl wie der berühmte Schuss auf Spatzen mit Kanonen.

[caption id="attachment_69773" align="aligncenter" width="640"] Foto: Sandra Neuhaus[/caption]


Kommentieren


1 Kommentar(e)

Jürgen Brehme 18.09.2018 | um 13:20 Uhr

Als (zum Glück nur Hobby-)Imker kann ich dazu sagen, dass sogar der Entscheid der Behörde falsch ist. Denn es ist nicht grundsätzlich verboten, diese guten Inhalte des Honigs zu benennen. Richtig ist: Man darf nicht mit ihnen für seinen Honig werben, da sie in jedem Honig drin sind - doch das hat der Plagwitzer gar nicht getan. Er hat für seine besondere Verpackung geworben, die diese Inhaltsstoffe besser schützt als das übliche Honigglas. Diese (eigentlich falsche) Beanstandung zum Anlass zu nehmen, sogar einen Lieferstopp zu verhängen (eine Änderung für die Zukunft hätte durchaus gereicht), wirft die Frage nach dem Selbstverständnis der Behörde auf. Wollen die wirklich den Bürger/Verbraucher schützen?