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Stadtleben

Gute Theorie, bessere Praxis

Die Initiative Fahrradfreude will die Vernetzung von Radwegen und Radbegeisterten ausbauen

  Gute Theorie, bessere Praxis | Die Initiative Fahrradfreude will die Vernetzung von Radwegen und Radbegeisterten ausbauen

Leipzig ist eine Fahrradstadt, zumindest in der Theorie. Konzepte für eine fahrradfreundliche Stadtgestaltung gibt es viele und auch die Stadt will den Anteil des Radverkehrs weiter erhöhen. Die Initiative Fahrradfreude hat sich zum Ziel gesetzt, die Ideen für ein fahrradfreundliches Leipzig, von denen viele fertig ausgearbeitet in der Schublade liegen, besser publik zu machen und für eine breite Vernetzung der Akteure zu sorgen.

An der Wand hängen abwechselnd auf Hochglanz polierte Rennräder und ausladende Hirschgeweihe. Das Radrevier ist eine Mischung aus Fahrradladen, Werkstatt, Café und Veranstaltungsort mit rustikalem Anklang. Sascha Kodytek, der sich selbst als »politischer Arm des Radreviers« bezeichnet und ein Mann in grün, der Förster genannt werden möchte, werden hier heute ein Video für ihre Initiative »Fahrradfreude« drehen. Bevor es losgeht, erklären sie dem kreuzer aber noch, was dahintersteckt.

kreuzer: Warum muss sich in Leipzig für Fahrradbegeisterte etwas ändern?SASCHA KODYTEK: Solange es Verkehrstote in der Stadt gibt und solange man kein flächendeckendes Radnetz hat, wie etwa in Kopenhagen oder in vielen niederländischen Städten, ist in Leipzig genug Luft nach oben. Die Frage nach dem »müssen« impliziert aber ja immer einen konkreten Anlass. Für uns gilt eher die Devise: Warum wollen wir etwas ändern? Wir wollen etwas ändern, weil wir gerne mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs sind. Wenn wir Stellen sehen, die augenscheinlich gefährlich sind, dann sind das unserer Meinung nach Stellen, die es so nicht geben sollte. Wir möchten das aber in einem positiven Ansatz verfolgen und uns nicht einfach beschweren. Leipzig hat keine perfekte Deckung, was das Radwegenetz angeht, aber lasst uns das doch angehen und gemeinsam besser machen.

FÖRSTER: Wenn es für uns so etwas wie einen konkreten Anlass gibt, dann vielleicht die Tatsache, dass es mit dem Radrevier jetzt einen Ort gibt, wo alle Interessierten sich treffen können, um gemeinsame Aktionen zu planen. Egal, ob das jetzt Menschen sind, die in Vereinen oder Parteien engagiert sind, oder die einfach nur fahrradbegeistert sind. Das ist auch genau das, was wir nächsten Dienstag wieder vorhaben.

kreuzer: Die Stadt Leipzig hat aber doch bereits angekündigt, in Zukunft mehr für Fahrradmobilität zu unternehmen und begonnen, neue Radstreifen zu markieren.KODYTEK: Die Frage ist doch, wie diese Radwege miteinander verknüpft sind. Bildet sich daraus wirklich eine fahrradfreundliche Stadt oder sind das nur einzelne Straßen ohne Verbindung? Eine Fahrradstadt ist Leipzig aktuell ja nicht wirklich. Viele Radstreifen enden auf einmal im Nirgendwo. Wenn der Asphalt für Autostraßen auf einmal ebenso abrupt enden würde, wäre offensichtlich, dass da etwas falsch läuft. Bei Fahrradwegen haben wir das aber als normal akzeptiert.

kreuzer: Läuft es da nicht auf den alten Konflikt »Auto gegen Fahrrad« hinaus?FÖRSTER: Eine positive Veränderung muss nicht zwangsläufig eine Einschränkung für den Autoverkehr bedeuten. Wir wollen kein gegeneinander von verschiedenen Fortbewegungsformen. Fahrradstraßen etwa sind so konzipiert, dass Radfahrende Vorrang haben und zum Beispiel nebeneinander fahren dürfen, Anlieger aber wenn nötig da auch weiterhin Auto fahren können. Die tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeit von Autos liegt in der Stadt ohnehin bei deutlich unter 30 Stundenkilometern. Abgesehen von Zubringern ergibt es also durchaus Sinn, das Konzept der Fahrradstraße weiter auszubauen. Die können ja auch durchaus mehrspurig sein, so dass alle Verkehrsteilnehmer gut miteinander auskommen. Und natürlich hat Leipzig bereits einiges getan. Es ist nicht unser Anspruch, den aktuellen Stand schlecht zu reden. Wir wollen darauf aufbauen und einfach noch mehr machen.

kreuzer: Es gibt aktuell bereits zahlreiche Vereine und politische Akteure, die sich in Leipzig für den Radverkehr einsetzen. Warum braucht es da eine weitere Initiative?KODYTEK: Das besondere an uns ist Aktion. Wir haben nicht vor, fachliche Debatten über städtebauliche Konzepte und umweltpolitische Fragen zu führen. Da gibt es Vertreter in den entsprechenden Verbänden, die das sehr gut machen. Unser Ziel ist es, dass konkrete Ideen und Forderungen, die es bereits gibt, verbreitet und natürlich auch umgesetzt werden. Und dafür braucht es Aktionen. Als konkretes Beispiel gibt es eine Petition zum Umbau der Jahnallee. Da wurde ein Konzept ausgearbeitet und anschließend wurden Unterschriften gesammelt. Immer wenn ein neuer Akteur, wie etwa der ADFC oder der Ökolöwe sich dem Thema angenommen hat, kamen neue Unterschriften hinzu. Da zeigt sich, dass es eine Plattform braucht, die all diese Akteure vernetzt und mit gezielten Aktionen auf ein Anliegen aufmerksam macht. Sei es eine gute Facebook-Kampagne, Öffentlichkeitsarbeit oder die Koordination zwischen den Beteiligten.

FÖRSTER: Wir merken glücklicherweise bereits, dass viele Beteiligte es honorieren, hier jetzt ein Dach zu haben, unter dem man sich gemeinsam treffen kann. Bei den bisherigen Treffen waren Vertreter von nahezu allen Vereinen und Parteien, die sich aktiv für besseren Radverkehr einsetzen, mit dabei.

kreuzer: Wer sollte denn beim nächsten Fahrradfreude-Treffen vorbeischauen?FÖRSTER: Jede Person, die sich konkret einbringen will, um den Radverkehr in Leipzig zu stärken, ist bei uns richtig. Auch wenn man vielleicht schon eine konkrete Aktion im Kopf hat, ist hier genug Raum.

KODYTEK: Wir haben aktuell drei zentrale Anliegen ausgemacht: Ein zusammenhängendes Radnetz, eine zentrale Fahrradgarage und die Entschärfung von Unfallschwerpunkten. Beim nächsten Treffen wollen wir beraten, wie wir Lösungen für diese Themen in der Praxis verbreiten. Die zentrale Frage wird sein, wie wir dazu konkrete Aktionen machen können, diese sowohl in der Öffentlichkeit präsent zu machen, aber auch in die Politik tragen. Die Ideen sind ja da. Nun wollen wir gute Theorie in bessere Praxis umwandeln.


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