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Kultur

Uni braucht Kino

Warum die Leipziger Universität seit zwei Jahren ohne Kino auskommen muss

  Uni braucht Kino | Warum die Leipziger Universität seit zwei Jahren ohne Kino auskommen muss

Das Leipziger Unikino »Kaleidoskop« ist derzeit ganz schön eingestaubt. Die Gründe dafür reichen von Problemen mit der Raumbelegung, über die mitunter schwierige Beschaffung der Lizenzen bis hin zur ständigen Fluktuation innerhalb des Kinoclubs. Film-Redakteur Lars Tunçay sprach mit den Unikinomachern über die Schwierigkeiten und darüber, warum die Studierenden trotzdem Lust auf einen Neustart haben.

Jakob Lass war da, ebenso Kurzfilmregisseur Jan Soldat und Nikias Chryssos mit seiner abgefahrenen Groteske »Der Bunker«. Und Karl-Friedrich König diskutierte mit Vertretern vom Referat für Antirassismus über den »Schwarzen Nazi«. Die Bilderwelten von Vivien Maier flimmerten über die Leinwand, ebenso wie Otto Premingers Klassiker »Bonjour Tristesse«. Im Anschluss wurde immer diskutiert – über Filmsprache, Filmgeschichte und das Filmemachen. Schließlich steht das Unikino für den Diskurs, für Denkanstöße und neue Impulse.

Das war auch das Ziel, das sich Patrick Wenig und Ingmar Stange gemeinsam mit ihren Kommilitonen auf die Fahnen schrieben, als sie das Unikino im Wintersemester 2014 wiederbelebten. Das »Kaleidoskop« war geboren. »Das Team bestand aus Bachelorstudenten der Kommunikations- und Medienwissenschaft«, erzählt Stange. »Der Bachelor und der Master waren damals noch teilweise mit anwendungsbezogenen Filmprojekten ausgestattet, was viele filmliebende Studierende anlockte. So wuchs die Gruppe schnell.«

Im Gegensatz zu anderen Unikinos ging es der Gruppe nicht darum, möglichst publikumsträchtige Blockbuster zu zeigen, sagt Wenig. »Wir hatten den Anspruch, Filme mit unterschiedlichen Nuancen aus allen Richtungen zu zeigen. Dazu gehörte auch unser Anspruch, den deutschen Film zu fördern. Nischenfilme, Arthouse-Klassiker oder Diplomfilme deutscher Filmhochschulen zu zeigen.« Bei der ersten Veranstaltung war Jakob Lass zu Besuch und stellte sein Debüt »Love Steaks« vor. »Da war es proppenvoll und da haben wir uns gedacht: Das ist ein Konzept, das funktionieren kann. Also, Leute einladen und das Ganze diskursiv gestalten. Natürlich war das nicht in jeder Vorstellung umsetzbar. Aber manchmal waren 200 Leute da, haben das aufgenommen, Fragen gestellt und es hat sehr gut funktioniert.«

Immer mittwochs war Filmabend im Kleinen Hörsaal für schmale zwei Euro Eintritt. Achim Kolba, ein befreundeter Grafikdesigner, gestaltete die Flyer für lau und Unifilm half bei Lizenzfragen. Das Unternehmen kauft zahlreiche Lizenzen ein, und aus diesem Pool können die Kinomacher sich dann bedienen. Im Gegenzug wandern 75 Prozent der Einnahmen an Unifilm. Das wird bundesweit genutzt und ist meist ein für beide Seiten funktionierendes Geschäftsmodell. Für das »Kaleidoskop« ging die Rechnung aber nicht auf. »Wir haben die Filmemacher eingeladen, die Anreise und die Unterkunft bezahlt und uns Mühe gegeben, dass der Laden voll ist. Und dann müssen wir 75 Prozent der Einnahmen abgeben? Das war unverhältnismäßig. Hinzu kam, dass Unifilm einige Lizenzen gar nicht in ihrem Pool hatten, diese Lizenzen hätten wir uns dann sowieso selbst besorgen müssen«, sagt Wenig.

Also beschlossen sie, die Lizenzen selbst zu beschaffen. Viel Arbeit neben dem Studium. »Das ist uns nicht immer gelungen. Am Ende konnten wir unsere Kosten nicht mehr decken. Im Laufe der Zeit war dann halt einfach die Energie nicht mehr da.« Hinzu kam, dass die Uni Leipzig das Engagement der Studenten bremste. Das neue Hörsaalgebäude hatte strenge Auflagen. »Wir hatten es ein paar Mal, dass der Hausmeister reinkam, obwohl der Film noch nicht zu Ende war, und das Licht eingeschaltet hat. Er meinte nur: ›Sorry, es ist 21.30 Uhr, ihr müsst jetzt raus.‹ Früher anfangen ging nicht, weil die Hörsäle noch belegt waren. Da kannst du auch keinen Film zeigen, der länger als zwei Stunden geht, wenn im Anschluss noch eine Diskussion angesetzt ist. Ich habe dann eine Mail geschrieben an die Rektorin, aber da hieß es nur: ›Wir können nicht jeden Wunsch berücksichtigen.‹«

Ein weiterer Grund des langsamen Abbaus des Unikinos war akademischer Natur, erklärt Stange. »Viele aus der Gründergruppe schrieben ihre Bachelorarbeit oder waren fertig mit dem Studium und zogen aus Leipzig weg. Die neuen Mitglieder versuchten weiterhin, das Unikino aufrechtzuerhalten. Wir waren eine diverse Gruppe aus Kulturwissenschaftlern, Soziologen, Anglisten und so weiter. Allerdings löste sich auch dieser Verband irgendwann auf und das Engagement der neuen Generation war gering. So versandete das Kino in der Zeit.«

Aber Patrick Wenig will einen neuen Versuch starten und wünscht sich dazu mehr Unterstützung von Seiten der Unileitung. »Diskussionen über Filmgeschichte und die Auseinandersetzung mit Film gehören an die Uni. Nouvelle Vague, Neues Deutsches Kino und das Dogma-Kino aus Dänemark, damit sollte man sich auseinandersetzen.« Welche Richtung die neue Unikinogruppe nimmt, wird sich zeigen. Dass die Uni ein Kino braucht, ist aber unbestritten. Wer Lust hat, es mitzugestalten, findet den Kontakt über die Facebook-Seite.


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