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Eia Popeia

Kunst und Politik im Zeitgeschichtlichen Forum

  Eia Popeia | Kunst und Politik im Zeitgeschichtlichen Forum

Nach fast zwanzig Jahren wurde vor wenigen Monaten die neue Dauerausstellung mit dem Titel »Unsere Geschichte. Diktatur und Demokratie nach 1945« im Zeitgeschichtlichen Forum eröffnet. kreuzer-Redakteurin Britt Schlehahn hat sich die Kunst angesehen und befindet: Das Zeitgeschichtliche Forum ist an der Neukonzeption, die Rhetorik des Kalten Krieges hinter sich zu lassen, kläglich gescheitert.

1999 eröffnete das Zeitgeschichtliche Forum als kleine Schwester des Hauses der Geschichte in Bonn. Nach fast zwanzig Jahren wurde vor wenigen Monaten die neue Dauerausstellung eröffnet. Sie widmet sich dem Thema »Unsere Geschichte. Diktatur und Demokratie nach 1945«, und dabei darf Kunst nicht fehlen.Die Plastik »Der Jahrhundertschritt« von Wolfgang Mattheuer hat ihren Platz seit der Eröffnung vor der Tür auf der Grimmaischen Straße. Das Werk steht für die »kritische Bilanz des 20. Jahrhunderts« und mahnt, wie weiter im hauseigenen Informationsblatt zu lesen ist, »die Werte der Demokratie und Freiheit nicht aus dem Blick zu verlieren«.

Im Inneren des Museums findet sich neben dem Aufzug im Erdgeschoss von Guy LeRiche das Objekt mit dem Titel »Wendeende« aus dem Jahr 1999. Ein DDR-Emblem ist zu Boden gefallen. »Schlicht« wäre eine großzügige Interpretation dieser Arbeit.

Den Ausstellungsauftakt im oberen Geschoss bildet das Gemälde »Hinter den sieben Bergen« von Mattheuer. Es handelt sich ebenfalls um ein Schlüsselwerk des Leipziger Künstlers. Eine Straße, die in Richtung Berge führt, am Straßenrand sind Werbetafeln mit »Eia«-»Po«-»Peia«-Sprüchen zu lesen, die Freiheitsfigur hält Luftballons in der Hand. Es soll den Wunsch nach Freiheit zeigen, stammt aus dem Jahr 1973 und hängt hier als Leihgabe aus dem Museum der bildenden Künste. Freiheit erhält das Gemälde selbst nicht. Vor dem Werk ist eine Schnur gespannt und zwei Tafeln darum herum klären das Publikum auf, dass man sich dem Werk nicht nähern solle.

Der Parcours beginnt im Jahr 1945. Ebenfalls aus dem Museum der bildenden Künste stammt das Haupt Bismarcks von dessen ehemaligem Denkmal am Rande des Johanna-Parks von 1895. Die Leipziger Bildhauer Adolf Lehnert und Josef Mágr zeigten Bismarck und einen Schmied auf einem Berg stehend gemäß der einfachen Aussage, dass er der Schmied des Deutschen Reiches gewesen sei. Die Figur des Schmiedes wurde 1942 als »Metallspende für den Führer« eingeschmolzen. Davon erfährt der Besucher allerdings nichts. Eine Infotafel erklärt recht lapidar, dass »Kommunisten« Bismarck nicht als »Vorbild« ansahen, und daher musste das Denkmal wohl weg. Gleich um die Ecke lehnt ein Bild am Boden mit einem Porträt von Adolf Hitler. Woher es stammt und von wem, erfährt das Publikum allerdings nicht. Eine originalgetreue Nachbildung des Tores vom KZ Buchenwald mit dem Spruch »Jedem das Seine« steht in einer Nische. Auch hier finden sich keine Informationen beispielsweise zum Gestalter – dem Leipziger Franz Ehrlich und seiner Lebensgeschichte. Man kann nur vermuten, dass offensichtlich Mitglieder des kommunistischen Widerstandes nicht so einfach in das Kommunistenfresser-Feindbild der Ausstellungskonzeption passen. Neben der Nische sind Bilder der US-Armee zu sehen, wie sie im April 1945 nach Leipzig kam. Absurd hierbei ist, dass ein Beamer die bewegten Bilder abspielt, während zwei Lautsprecher die Geräusche eines Filmprojektors simulieren. Eine Aufgabe eines Museums besteht auch darin, dass es die Artefakte benennt und die Übersetzungen vom Gestern in das Heute, wenn man nicht nur eine Wunderkammer sein möchte.

Aber so oberflächlich geht es munter weiter. Kunstwerke sind nicht mehr als Sinnträger oberflächlichster Aussagen. Künstlernamen finden sich selten. Ob Leninskulptur oder ein überdimensionales Stalinbild. Offensichtlich spricht alles für sich selbst – ohne genaue Nennung der Entstehung, Auftragswerk von wem mit welchen Aufgabenstellungen. Der Stalin trägt einen Aufkleber von der DEWAG – der Werbeagentur der DDR. Was das nun konkret bedeutet, wer die zahlreichen Plakate gestaltete? Keine Silbe. Sie treten als Propagandainstrumente auf und werden entgegen der Aufgabe eines Museums weder vermittelt noch wissenschaftlich aufgearbeitet. Der emotionale Zugang scheint auch zwanzig Jahre nach der Eröffnung sehr wichtig zu sein – wäre dann aber auch für die Zeit vor 1945 zulässig.

Ein wesentlicher Aspekt der Umgestaltung bestand darin, dass auch die Zeit nach 1990 zu sehen ist. Hierfür lichteten sich zumindest die Ausstellungsflächen, um am Ende die überdimensionale Installation grob didaktisch auch zeigen zu können: Metallbuchstaben formen das Wort »Freiheit« vom Künstler Hüseyin Arda. Ganz so einfach ist es allerdings nicht mit der Freiheit – wie die Entwürfe für die Berliner und Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmale präsentieren. Während Bild-Cover zur aktuellen Lage von Geflüchteten hinter Glas hängen, präsentiert der Berliner Künstler Jan Brokof in seiner Serie »Osten/Westen« die Stereotype aus Ost und West der letzten zehn Jahre und kommentiert sie fein ironisch. Ein Lichtblick im Ausstellungsrund, das seine ideologische Ausrichtung bis in die Gegenwart nicht versteckt. Waren es früher »die Kommunisten«, sind es heute hartnäckige »linke Kräfte«, die den kleinen Trompeter beispielsweise in Halle wieder aufstellen wollen. Der Neukonzeption lag die Chance zugrunde, endlich die Rhetorik des Kalten Krieges hinter sich zu lassen. Das Zeitgeschichtliche Forum ist daran kläglich gescheitert und konnte nicht einmal die wunderbaren Voraussetzungen zum Erzählen, die es besitzt, nutzen.


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