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»Die waren wirklich hier!«

Die Pianistin Ragna Schirmer über ihren Klavierspaziergang und Clara Schumann

  »Die waren wirklich hier!« | Die Pianistin Ragna Schirmer über ihren Klavierspaziergang und Clara Schumann

»Clara – bewegt«: Heike Hennig inszeniert mit Ragna Schirmer einen Musik-
Theater-Spaziergang durch Abtnaundorf. Mit dem kreuzer sprach die Pianistin über das Vorhaben und ihre Faszination an der Person Clara Schumann.

kreuzer: Sie beschäftigen sich schon lange mit Clara Schumann. Nun haben Sie den Robert-Schumann-Preis der Stadt Zwickau erhalten – fühlt sich das seltsam an?

RAGNA SCHIRMER: Nein. Denn der Preis steht in diesem Jahr unter dem Motto Clara Schumann. Ich sage auch einfach der Schumann-Preis, dann ist das abgedeckt.

kreuzer: Was fasziniert Sie denn so an der Person?

SCHIRMER: Ich habe schon als Kind und Jugendliche sehr viel Musik von Robert Schumann gehört und studiert. Und da bleibt es nicht aus, dass man die Fingersätze von Clara in die Hände bekommt. Daran hat mich fasziniert, wie genau sie mit dem Notentext umgegangen ist. Wenn jemand mit solcher Demut mit den Noten des Ehemannes umgeht, dann sagt das viel über die Person. Mich fasziniert die Pianistin, die viele innovative Ideen hatte, die bis heute unsere Konzerte prägen – und die Frau, die mit acht Kindern das Künstler- und Familienleben meisterte.

kreuzer: Was waren das für Innovationen?

SCHIRMER: Sie veränderte die Architektur der Konzerte, die Reihenfolge der Stücke. Sie hat ausprobiert, was funktioniert, und alte Regeln über Bord geworfen. Sie war eine der Ersten, die reine Klavierabende gegeben haben.

kreuzer: Im vergangenen Jahr haben Sie Clara am Puppentheater in Halle gespielt. Warum vor dem Jubiläum?

SCHIRMER: Ich liebe Mischformen, und Konzerttheaterformen habe ich sehr gern. Mit dem Puppentheater Halle habe ich schon zu Ravel zusammengearbeitet. Dass wir ein Stück über Clara machen wollten, war länger schon klar. Es passte spielplantechnisch einfach gut. Und in diesem Jahr können wir dann mit dem Stück auf Reisen gehen.

kreuzer: Warum suchen Sie immer wieder die theatrale Vermittlung – reicht die Musik nicht aus?

SCHIRMER: Natürlich reicht die Musik vollkommen aus. Das ist umgekehrt. Was mir persönlich missfällt, ist, dass im Konzertleben manchmal so ein merkwürdiger Hype um die Interpreten gemacht wird. Da sitzen dann Spezialisten im Publikum und fragen sich, wie das dritte Fis im vierten Satz im Vergleich zu den 25 Aufnahmen war, die sie zu Hause haben. Das ging mir schon immer auf die Nerven. Ich möchte Musik machen um der Musik willen. Wenn in einem Theaterprojekt eine Idee dem Abend voransteht, dass ich dem Publikum zum Beispiel etwas aus dem Leben von Clara erzähle und ihre Musik spiele, tritt meine Rolle als Interpretin zurück. Ich kann mich dann viel freier um die Musik kümmern. Und es macht mir mehr Spaß.

kreuzer: Um welche Idee gehts in Abtnaundorf?

SCHIRMER: Wir wollen unter freiem Himmel Stationen aus Claras Leben nachvollziehen. Für das Publikum soll erfahrbar werden, wie beschwerlich das eigentlich im 19. Jahrhundert war, von A nach B zu kommen. Man setzte sich ja nicht in ein Flugzeug und gab am Abend ein Konzert. Deswegen werden wir ein Klavier auf einem Rollwagen haben und mit Musik und Theater durch diese Allee rollen. Es gibt keine Indoorvariante, weswegen wir auf gutes Wetter hoffen.

kreuzer: Theater en passant?

SCHIRMER: Genau, während des Weges durch die Allee. Da kommt dann auch noch ein Schimmel vorbei und das Publikum muss ein bisschen mitmachen. Die Choreografie und Theateridee ist von Heike Hennig. Wir tauschen uns aus über die Musikstücke und in welcher Form ich schauspielerisch tätig werde.

kreuzer: Ist es besonders für Sie, am historischen Ort zu spielen?

SCHIRMER: Na klar. Wenn man weiß, dass die Schumanns dort schon langgelaufen sind, ist das spannend. Da ist man ergriffen: Die waren wirklich hier!

kreuzer: Und was findet im anatomischen Theater statt?

SCHIRMER: In der Anatomie werde ich auf sechs verschiedenen Flügeln aus dem19. Jahrhundert spielen. Die Flügel waren anfangs noch viel kleiner und zarter als zum Ende des Jahrhunderts. Das ist ein ganz anderer Klang. Clara hat Einfluss auf den Klavierbau genommen. Passend zum Ort werden wir mit einem Klavierbauer den einen oder anderen Flügel sezieren.

Dieser Text erschien zuerst im kreuzer 05/19.


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