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Stadtleben

»Das ist kein Kompliment«

Eine Gruppierung diskutiert den Umgang mit Belästigung in der Öffentlichkeit

  »Das ist kein Kompliment« | Eine Gruppierung diskutiert den Umgang mit Belästigung in der Öffentlichkeit

Der Name ist Programm: Die Leipziger Gruppe »Stop Catcalling Now« thematisiert übergriffiges Verhalten auf der Straße und fordert das Ende des Patriarchats. Die Studentin Bella Enderlein ist schon lange mit dabei und hat sich mit dem kreuzer auf einen Kaffee getroffen, um über Sexismus und Selbstermächtigung zu sprechen.

kreuzer: Catcalling bezeichnet eine Form von sexueller Belästigung. Was ist damit genau gemeint?BELLA ENDERLEIN: Der Ausdruck lässt sich nicht direkt ins Deutsche übersetzen. Er bezeichnet Belästigung im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das können Blicke, Gesten, Kussgeräusche, Pfiffe oder Sprüche wie »Hey Süße« sein. Häufig werden solche Bemerkungen dann als harmlose Komplimente abgetan, nach dem Motto »Der will doch nur flirten.« Allerdings finden diese Kommentare nicht auf Augenhöhe statt, sondern machen die Betroffenen zum Objekt. Das führt im schlimmsten Fall zu der Angst, sich auf eine bestimmte Weise zu kleiden oder nachts alleine unterwegs zu sein. Betroffen sind davon vor allem FLINT-Personen, das heißt Frauen, Lesben, Inter-, nicht binäre und Transpersonen.

kreuzer: Wann und wie ist »Stop Catcalling Now« entstanden?ENDERLEIN: Auf der Messengerplattform Telegram kam es letzten Sommer zu einem Austausch über die Erfahrung mit sexueller Belästigung auf der Straße. Einige Betroffene haben sich dazu geäußert und es gab offensichtlich viel Redebedarf. Daraufhin entstand zuerst eine Gruppe im Internet, die später anfing, sich regelmäßig zu treffen. Ich war ab dem dritten Mal dabei. Daraus hat sich »Stop Catcalling Now« gebildet. Inzwischen treffen wir uns zwei Mal im Monat zum offenen Plenum.

kreuzer: Was sind Ihre Ziele bei dem Projekt?ENDERLEIN: Es soll ein Raum geschaffen werden, in dem sich Betroffene mitteilen können, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Außerdem ist es mir wichtig, generell auf das Thema aufmerksam zu machen. Auch der Begriff »Catcalling« ist vielen nicht bekannt. Das ist kein Kompliment, das ist ein strukturelles Problem und darf nicht mehr ständig kleingeredet werden. In der Öffentlichkeit sollte das Thema präsenter sein.

kreuzer: Wie kann das umgesetzt werden?ENDERLEIN: Dazu organisieren wir beispielsweise Infostände und Podiumsdiskussionen oder halten Redebeiträge. Wir veranstalten auch regelmäßig einen Workshop, den wir »verbale Selbstverteidigung« nennen. Dann überlegen die Teilnehmenden gemeinsam, wie man auf Belästigung im Alltag reagieren kann. Das stärkt das Selbstbewusstsein und kann helfen, beim nächsten Mal besser mit der Situation umzugehen.

kreuzer: Wie reagiert man am besten, wenn man auf der Straße sexuell belästigt wird?ENDERLEIN: Das lässt sich nicht generell sagen. Betroffene sollten selbst entscheiden, sie damit umgehen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass klare Abgrenzung gut funktioniert, zum Beispiel »Lass mich in Ruhe« oder ein deutliches »Nein«. Häufig hat man die Situation leider nicht selbst unter Kontrolle. Wenn man keine Lust auf eine Auseinandersetzung hat, hilft es, keine offenen Fragen wie »Was soll das?« zu stellen. Das führt meistens nur dazu, dass sich die Situation hochschaukelt.


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