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Stadtleben

Diamanten aus Kaffeebohnen

Kaffee made in Leipzig – was heißt das eigentlich? Leipziger Röstereien im Vergleich

  Diamanten aus Kaffeebohnen | Kaffee made in Leipzig – was heißt das eigentlich? Leipziger Röstereien im Vergleich

Ob bio, fair, oder regional – Kaffee gibt es in den vielfältigsten Formen, auch in und aus Leipzig. Was diese Leipziger Röstereien vor allem ausmacht, sind die jeweiligen Ideen und Herangehensweisen ihrer Gründer.

Ralph Hacks Freundin Gabi hat nach der Wende die Wahl: Arbeitslosigkeit oder Selbstständigkeit? Zu dieser Zeit ist Kaffee-Vielfalt in der Messestadt kein Thema. »Ende der neunziger Jahre fing es dann mit dem Premium-Kaffee an und da hat sie 1998 am Wilhelm-Leuschner-Platz ein Kaffeegeschäft eröffnet«, erinnert sich Hack. Drei Jahre nach der Eröffnung haben sie und ihr Mit-Gründer schließlich begonnen, selbst Kaffee zu rösten. Ralph Hack unterstützt die beiden damals bei der Finanzierung der ersten Röstmaschine. Heute ist er Vorstand der Ganos-Kaffee-Kontor- & Rösterei-AG, der ältesten und sortenreichsten Rösterei Leipzigs. Die Ladengründerin ist inzwischen in Rente, der Grundgedanke aber immer noch der gleiche: »Unsere Hauptintention ist es, die Vielfalt des Kaffees rüberzubringen. Und die gibt es gerade im Spezialitätenkaffee«, sagt Hack. Mehr als fünfzig Sorten Kaffee führt die Rösterei am Dittrichring heute.

Muss Fairness besiegelt werden?

Spezialitätenkaffees sind besonders hochwertige Kaffees, deren Herkunft auf eine bestimmte Region, eine Farm oder eine Kooperative eingegrenzt werden kann. Eingekauft wird er in der Regel ohne Zwischenhändler, auf direktem Weg. »Im Spezialitätenkaffee-Handel gibt es eigentlich keine Dumping-Preise, denn die meisten Kaffees werden entweder mit einem Festpreis oder über Auktionen verkauft«, erklärt Hack, der seine Kaffeeproduzenten persönlich kennt. Dieser persönliche Kontakt sei aus seiner Sicht auch aussagekräftiger als diverse Zertifizierungen. Die hält Ralph Hack für rausgeschmissenes Geld. Eine Ansicht, die auch andere Röster teilen. So zum Beispiel Peter Dorndorf. Er betreibt seit 2012 die Brühbar auf der Zschocherschen Straße. Er ist zwar offiziell Bio-zertifiziert – aber nur, weil er vor einiger Zeit eine Anfrage von einem Bio-Markt bekam, für dessen Belieferung er ein Siegel brauchte. »Diese Siegelei wird ja auch ziemlich viel diskutiert und es tauchen immer wieder Berichte auf, die zeigen, wie es dort zugeht. Da kommt auch bei den gesiegelten Bauern unterm Strich nicht mehr an«, gibt Dorndorf zu bedenken. Deshalb treffe er seine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen.

Das Schleifen von Diamanten

Das eigentliche Anliegen von Dorndorfs Brühbar sei aber ohnehin ein anderes, nämlich, die Kaffeekultur in Leipzig zu verbessern: »Kaffee ist ein sehr interessantes Produkt, welches vor neun oder zehn Jahren in Leipzig noch nicht so präsent war. Wenn man damals durch die Stadt gelaufen ist, hat man sich bei jedem Café gefragt: Woah, was trinkt man hier eigentlich?«, erinnert er sich. Ihm sei es wichtig, dass seine Produkte perfekt beim Kunden ankommen: »Wir verstehen uns mit der gesamten Kette vorher als Diamantenschleifer und der Barista hinter der Maschine ist dann sozusagen der Juwelier, der der Sache den letzten Schliff verpasst«, erklärt er. Deshalb gibt Dorndorf auch Schulungen für Mitarbeiter der Cafés, die seinen Kaffee führen. Ob er damit die Kaffeekultur schon verbessert hat? Dorndorf findet, dass es immer besser wird: »Jeden Monat macht gefühlt eine neue Rösterei auf. Das ist superinteressant für die Leipziger.«

Auch Franko Lehmanns Credo ist es, in erster Linie eine gute Bohne zu kreieren. Deshalb hat der Kaffeeliebhaber vor acht Jahren »röskant« gegründet. Die Kaffeeseminare und Latte-Art-Kurse der Manufaktur werden inzwischen von Menschen aus ganz Deutschland besucht, das Sortiment umfasst Kaffee aus 16 Ländern. Fairen Kaffee einzukaufen, sei aber nicht in jedem Land möglich. Der beliebteste Kaffee der Rösterei beispielsweise stamme aus Indien, aber es gebe ihn schlichtweg nicht öko und fair. Trotzdem ist er im Sortiment, denn die Kunden wollen ihn – wegen des einzigartigen Geschmacks, wie Lehmann sagt. Die Kaffeerösterei kauft nach Verfügbarkeit nachhaltigen Kaffee ein, der rund ein Drittel des Sortiments ausmacht. Ein Siegel tragen die nachhaltigen Kaffees im Verkauf nicht. Wird ein Kaffee mit Siegel eingekauft, so versieht röskant selbst die Verpackung mit dem Hinweis »ökologisch« bzw. »fair gehandelt«. Im Sortiment ist beispielsweise ein Projektkaffee aus Nicaragua: »Auf der Plantage arbeiten ausschließlich Frauen, was eine Besonderheit vor dem Hintergrund der patriarchalisch geprägten Gesellschaft des Landes darstellt«, erklärt Lehmann.

Durch Zufall Bio

Die Kaffeerösterei von Ronny Alber feiert in diesem Jahr bereits zehnjähriges Bestehen. Röster Alber setzt auf ein kleines, dafür aber ausgewähltes Sortiment von sechs Sorten. »Als ich gestartet bin, wollte ich Farmen finden, die mir Kaffee in gleichbleibender Qualität liefern können und gleichzeitig meinen sozialen, umweltgerechten, preislichen, aber auch geschmacklichen Anforderungen entsprechen«, erzählt er. Vor zehn Jahren gar keine leichte Aufgabe. Alber wurde aber fündig, und zwar in Brasilien und Äthiopien. Zu seinen beiden Hauptlieferanten hat er eine gute Beziehung: »Die Farmer werden direkt bezahlt. Sie sagen uns, was sie zum Leben brauchen – und das ist meist das Zwei- bis Dreifache vom aktuellen Weltmarktpreis.« Auch Alber wollte eigentlich auf Siegel verzichten. »Ich habe Farmer kennengelernt, die gesagt haben, dass sie aus Überzeugung ökologisch produzieren, weil sie ihre Böden und ihr Grundwasser sauber halten wollen. Sie lassen sich aber wegen der Kosten nicht zertifizieren«, sagt Alber, dessen Sortiment inzwischen trotzdem zu 80 Prozent Bio-zertifiziert ist, weil sich die Bauern aufgrund des Drucks von anderen Händlern haben zertifizieren lassen.

Mit dem Segelboot nach Europa

Jens Klein hat sich mit Café Chavalo dafür entschieden, die Ökologie und Fairness seiner Produkte in den Mittelpunkt zu stellen. Seinen Werdegang zum Kaffee-Importeur startet Klein 2014 bei einer Reise nach Nicaragua. Dort lernt er verschiedene Kaffee-Kleinbauern kennen und entwickelt den Wunsch, deren Absatzmarkt in Deutschland weiter auszubauen, dabei aber einiges anders zu machen, als es konventionell gehandhabt wird. Wichtig ist ihm zum Beispiel der direkte Kontakt, aber auch der Länderfokus und die damit verbundene Tatsache, dass man mit einer Reise alle Bauern auf einmal besuchen kann. Jens Kleins neuestes Projekt ist der Segel-Kaffee, der – wie der Name schon vermuten lässt – mit einem Segelschiff transportiert wird. Dadurch wird im Vergleich zum klassischen Container-Transport 90 Prozent weniger Kohlendioxid emittiert. Obwohl er schon viel für Mensch und Umwelt tut, sind seine Ziele ambitioniert: »Ich glaube, man kann da jeden Teilbereich rauspicken und ganz selbstkritisch sagen, dass es hier sicher besser ist als im Durchschnitt, aber immer noch nicht perfekt.«Was diese Leipziger Röstereien vor allem ausmacht, sind die jeweiligen Ideen und Herangehensweisen ihrer Gründer. Mit viel Leidenschaft für Kaffee und das Handwerk des Röstens wird Kaffee veredelt, der sich schmecken lassen kann. Und das in der Regel unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Gesichtspunkte – auch, wenn es nicht immer ein Siegel gibt, welches das (vermeintlich) garantiert.


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