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Stadtleben

Verschlusssachen

Zahlreiche Grenzmuseen erinnern an die Teilung – und geben für Gegenwart 
und Zukunft eine Menge zu denken auf

  Verschlusssachen | Zahlreiche Grenzmuseen erinnern an die Teilung – und geben für Gegenwart 
und Zukunft eine Menge zu denken auf

Der Mauerfall 1989 war nicht nur ein Symbol der Freiheit, für die DDR-Bevölkerung bedeutete er reale Bewegungsfreiheit. Mit dem EU-Schengenraum wurde sie ab 1995 noch größer. Was geschlossene Grenzen damals bedeuteten, lässt sich in einigen Museen erfahren – viele stehen am real wirksamen Ort: an der einstigen Grenze.


In Thüringen sind eine Vielzahl solcher Objekte zu besichtigen. Das Bundesland verfügt mit mehr als 750 Kilometern über einen Großteil des knapp 1.400 Kilometer langen Grenzbands aus Stacheldraht und Beton, mit dem sich die DDR von der BRD abriegelte.

Besonders deutlich wird der Wahnsinn, Menschen voneinander zu trennen, im Ort Mödlareuth, der als »Little Berlin« Bekanntheit erlangte. Der Ort war wie die Hauptstadt in Ost und West geteilt. Dort dokumentiert ein Museum, wie sich das Leben an und mit der Grenze gestaltete. Ein Teil der historischen Grenzanlage mit Überwachungsturm ist auf einem Freigelände zu besichtigen. Ein Ausstellungsbereich und museumspädagogische Angebote helfen bei der Geschichtsvermittlung. Im Freilandmuseum bei Behrungen sind ein Grenz- und Signalzaun sowie ein begehbarer Grenzturm im Original erhalten. Wo Millionen Reisende kontrolliert wurden, steht heute das Grenzbahnhof-Museum Probstzella. Im Örtchen nebenan, in Gräfenthal, zeigt die Ausstellung »Eingeschlossen, abgeriegelt. Die Grenze durch Deutschland«, wie das Leben für die Mehrheit der DDR-Bevölkerung war, die überwiegend nie die Grenze überschreiten durfte. Nur noch eine Wüstung ist das ehemalige Örtchen Billmuthausen. Lediglich der Friedhof und ein Transformatorenhäuschen erinnern an den für die Sperranlage geschliffenen Flecken.

Das mit immensem Aufwand gesicherte Trennungsband war in erster Linie von politischer Wichtigkeit. Millionen Menschen hatten zwischen Kriegsende und dem Bau der Mauer das DDR-Staatsgebiet verlassen. Allein 1960 gingen 200.000 Menschen in den Westen. In der Nacht zum 13. August 1961 begann der Mauerbau. Die SED-Zeitung Neues Deutschland reimte die Schlagzeile: »Unser Staat ist auf Draht«. Der damalige US-Präsident John F. Kennedy nannte die Mauer »keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg«.

An der Sperranlage selbst wird ersichtlich, dass sie nach innen, gegen die eigene Bevölkerung, gerichtet war. Fürs Einsperren wandte die Regierung Unsummen auf. Der Staatshaushalt 1988 sah 2,2 Milliarden Ost-Mark für die Grenzsicherung vor. Zum Vergleich: Der Jahresetat für die Hoch- und Fachschulen lag bei 3,7, der für Kultur bei 2,9 Milliarden. Dennoch sicherte das Bollwerk die Existenz des Staates nicht auf Dauer. Es gab zahlreiche Versuche, über die hochmilitarisierte Grenze zu fliehen. Einige Menschen bezahlten dies mit ihrem Leben, andere konnten die Mauer überwinden. Als im Sommer 1989 DDR-Bürger massenhaft über Ungarn in den Westen flohen und im Herbst die Montagsdemonstranten zuerst in Leipzig, dann in der ganzen DDR Reformen einforderten, läuteten sie den Mauerfall und das Staatsende ein. Mit dem Fall des gesamten Eisernen Vorhangs wurde die Hoffnung auf eine Welt ohne Grenzen befeuert.

Heutige Rufe nach nationaler Selbstbestimmung und Separatismus werden vom Bau neuer Grenzbefestigungen begleitet. Fünfmal so viele Mauern, wie es damals gab, sind seit 1989 errichtet worden, das sind rund 26.000 zementierte Grenzkilometer. Die offene Gesellschaft schließt sich ein. Wir erleben eine Renaissance der Mauer – auch daran können die Grenzmuseen 
erinnern.


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