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Stadtleben

In Luft aufgelöst

Quecksilberrecycling im Wohngebiet: Grünen-Politikerin warnt, Umweltamt sieht keine Gefahr

  In Luft aufgelöst | Quecksilberrecycling im Wohngebiet: Grünen-Politikerin warnt, Umweltamt sieht keine Gefahr

In Leipzig-Plagwitz bereitet eine Firma hochgiftiges Quecksilber auf – nur wenige Meter entfernt von den nächsten Wohnhäusern. Bereits Anfang 2019 berichtete der MDR über erhöhte Quecksilberwerte im Boden, geändert hat sich seitdem wenig. Das Amt für Umweltschutz sieht keinen Handlungsbedarf.

Nur wenige Meter trennen das Gelände der Gesellschaft für Metallrecycling (GMR) in der Naumburger Straße von den nächsten Anwohnerinnen und Anwohnern. Mitten in Leipzig-Plagwitz steht hier eine Wiederaufbereitungsanlage, in der hochgiftige Quecksilberabfälle ausgekocht werden. Darauf wies bereits im Januar 2019 das MDR-Magazin »Exakt« hin.

In der Anlage von GMR wird Quecksilber verdampft, kondensiert, als Rohquecksilber wieder aufgefangen und anschließend wieder verkauft. Der MDR ließ im Frühjahr durch einen Umweltingenieur Bodenproben in der Nähe des Geländes nehmen. Sein Ergebnis: vor dem Gelände der GMR war der Quecksilbergehalt im Boden rund 65 mal so hoch wie bei einer Vergleichsprobe. Der Experte schlussfolgerte, dass Quecksilber beim Recyclingprozess in die Luft gelange und so seinen Weg in den Boden vor dem Betriebsgelände finde. Die Werte übersteigen die zulässigen Grenzwerte zwar nicht, würden jedoch Anlass zur Sorge bieten, sagte er vor mehr als einem halben Jahr.

Stadt Leipzig sieht keinen Handlungsbedarf

Seitdem hat sich an der Situation in Plagwitz nichts Wesentliches geändert. Das Leipziger Amt für Umweltschutz sieht derzeit keinen Grund zur Sorge, denn der gemessene Quecksilbergehalt von 7,1 Milligramm pro Kilogramm Erde würde den zulässigen Prüfwert für Wohngebiete nicht ansatzweise erreichen – zulässig sind maximal 20 Milligramm. Auch der Prüfwert für Kinderspielflächen (10 Milligramm) sei deutlich unterschritten, teilt Umweltamt-Leiter Peter Wasem dem kreuzer mit. »Im vorliegenden Fall besteht daher gegenwärtig kein weiterer Handlungs- bzw. Untersuchungsbedarf«, erklärt er.

Keinen Grund zur Entwarnung sieht hingegen die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Maicher. Sie betreibt in Plagwitz ihr Abgeordnetenbüro – ganz in der Nähe des Betriebsgeländes der GMR. Nicht nur die erhöhten Quecksilberwerte im Boden rund um das Gelände würden ihr Sorgen bereiten, sagt sie. Maicher weist darauf hin, dass ein Störfall in einer derartigen Anlage nie ausgeschlossen sei. »Generell sollte Recycling von Gefahrstoffen nicht in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung in einem dicht besiedelten Gebiet wie Plagwitz stattfinden«, sagt Maicher dem kreuzer. Ziel müsse es ihr zufolge sein, einen neuen Standort in größerer Distanz zu einem Wohngebiet ausfindig zu machen. »Die Stadt sollte der Firma GMR intensiv bei der Suche und Organisation der Standortverlegung behilflich sein und hier auch die für die Firma zumutbaren Kosten im Blick behalten«, erklärt die Abgeordnete.

Grünen-Politikerin warnt vor Gefahr durch »Störfall« und sieht das Rathaus unter Zugzwang

Bereits im Februar lud Maicher Anwohnerinnen und Anwohner in ihr Abgeordnetenbüro, um ins Gespräch zu kommen – auch mit dem Geschäftsführer der GMR. Die damals geäußerten Bedenken und Ängste der Nachbarn zeigten offenbar Wirkung. »Auf dem Betriebsgelände lagernde Fässer wurden beräumt und Fenster, Luken und Türen werden seither geschlossen gehalten«, berichtet Maicher.

 Dennoch müsse sich weiter etwas tun, sagt die Grünen-Politikerin. Auf die in Sachsen gängige Eigenüberwachung der Recyclingwirtschaft zu setzen, sei unverantwortlich: »Angekündigte Kontrollbesuche in Zwei-Jahres-Abständen reichen nicht aus. Zudem müssen Öffentlichkeit und besonders die Nachbarn regelmäßig über den Betrieb und die potentiellen Gefahren informiert werden, denn es ist unter Umständen lebenswichtig zu wissen, wie man sich im Störfall verhalten muss.«

Eine baldige Veränderung der Situation in Plagwitz scheint nicht in Sicht. Aus Perspektive des Leipziger Amts für Umweltschutz fehle nach wie vor der konkrete Handlungsbedarf. Amtsleiter Wasem verweist abschließend auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BimSchG), welches das Betreiben von genehmigungsbedürftigen Anlagen regelt und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und die direkte Nachbarschaft sicherstelle.


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