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Kultur

Zwei Preise und ein Todesfall

Theaterauszeichnungen: Eine Geschichte des Gemeckers

  Zwei Preise und ein Todesfall | Theaterauszeichnungen: Eine Geschichte des Gemeckers

Am Montag wurde der Sächsische Tanzpreis vergeben. In den Räumen des Lofft fand die Verleihung einen würdigen Rahmen. Ausgezeichnete Preisträger werden dennoch nicht davor feien, Kritik an der Preisverleihung zu üben. Bereits am Freitag davor wurde bekannt, dass der Leipziger Bewegungskunstpreis nach 15 Jahren eingestellt wird. Das ist schade, aber verständlich. War er doch immer auch eine Geschichte des Gemeckers. Tobias Prüwer kommentiert.

Wahrscheinlich kann jede Jury an mehreren Händen aufzählen, was ihr alles vorgeworfen wird. Vielleicht gehört das einfach dazu. Die Jury des Sächsischen Tanzpreises wird sich wahrscheinlich rechtfertigen müssen, mit »Cowboys« der Leipziger Sebastian Weber Dance Company ein außergewöhnliches Step-Stück ausgewählt zu haben. Das kombiniert nicht nur Step mit zeitgenössischem Tanz, sondern beschäftigt sich zudem mit Trump & Co.

So wird sicher auch der Vorwurf einer politischen Absicht hinter der Preisverleihung laut werden, da unter anderem Populismus thematisiert wird – ein Aspekt, den die Preisrede vorsorglich gar nicht erwähnte, als sie »Cowboys« lobte. Und dann wird noch laut werden, dass bei so vielen Stadt- und Staatstheater-Ensemblen zwei Produktionen der Freien Szene gewonnen haben.

»Wir sind fertig!"

Der ebenfalls am Montag verliehene Ursula-Cain-Förderpreis ging an Wagner Moreira aus Dresden. So ernsthaft kann die Aufhebung der Trennlinie zwischen Stadt- und freiem Theater doch nicht gemeint sein? Scheinbar schon und das ist die gute Nachricht: Der Tanzpreis orientierte sich tatsächlich an rein künstlerischen Kategorien, statt einmal mehr das Prinzip zu bedienen, in jeder Ecke des Freistaats mal was zu loben – so wie man den »Tag der Sachsen« durchs ganze Land verschiebt. So wurde die Preisverleihung zu einer wahren Feier des Tanzes. Glückwunsch – auch wenn das Gemecker noch kommen wird.

Das Theater vollumfänglich feiern, das hatte sich der Leipziger Bewegungskunstpreis auf die Fahnen geschrieben. Dieser Preis für die Freie Szene der Stadt wird nun im Februar zum letzten Mal vergeben. »Wir sind fertig!«, heißt es halbironisch (?) von den Veranstaltern. Das kann man 15 Jahre nach seiner Gründung nachvollziehen. Auf so lange Zeit einen Sponsor bei der Stange zu halten, ist schon eine Leistung. Das zugehörige Festival war ein Kraftakt, der immer wieder finanziert sein wollte. Eine konzeptionelle Frage, die man sich dabei immer gestellt hat: Wie kann man eine entsprechende Leistungsschau der Szene für die Szene und darüber hinaus organisieren? Noch dazu für eine so heterogene Theaterlandschaft – um nicht zu sagen: eine diffuse.

Kritik, Kritik, Kritik

Die Situation für die Künstler ist heute eine andere als 2004. Es gibt zum Beispiel mittlerweile eine Wiederaufnahmeförderung – der Preis sollte unter anderem diesen Zweck erfüllen. Und die Kulturförderung ist insgesamt eine andere. Damals lag gerade der weiße Januar, der Streik der Kulturschaffenden, nicht lange zurück. Und die Veranstaltenden hatten auch eine Menge auszuhalten, vor allem Gemecker.

Das Gelärme fing mit dem Ansinnen an, überhaupt so etwas wie Bewegungskunst auszuzeichnen. Tanz, Performance und Sprechtheater seien unvergleichbar, da könnte es gar keinen Preis geben. Das war insbesondere dann zu hören, wenn mal was Tänzerisches gewann. Schauspieler fühlten sich diskreditiert, statt die eben gerade im Tanz existierende Professionalität zu akzeptieren. Und dann gewann auch noch ein Figurentheaterstück!

Häufig war die Kritik auch gegen Terminliches gerichtet. Warum Sommertheater nicht mit dabei sei und die ehrenamtliche Jury sich Urlaub gönnt, wurde gefragt. Dann waren die Zeitpunkte der Preisübergabe ungünstig, wurden sie verschoben, war das auch wieder nicht recht. Das traf dann auch für das Festival zu, bei dem dann noch dazu die austragenden Häuser manchmal Missmut an den Tag legten.

Meinungsmache, statt Danke sagen

Interessant war der Anspruch, den manche auf den Preis erhoben. Er war ja als Austausch einer Szene gedacht, die sich eben oft nicht genug austauscht – was auch am zeitlichen Rahmen liegt, nicht immer alles sehen zu können. So konnten eben auch Kooperations-Produktionen den Anstoß geben, über den lokalen Saft hinauszuwachsen. Reaktion darauf war, man ahnt es: Gemecker. Das nicht alle Beteiligten oder auch mal das Gros der Beteiligten nicht aus Leipzig stammten, wurde ernsthaft eingebracht. Gegen eingehaltene Formalia half also auch da das Bauchgefühl; von künstlerischen Debatten abgesehen. Aber dazu hätte man die entsprechende Produktion auch mal ansehen müssen. Der Anspruch auf den Preis reichte so weit, dass auch mal über Bande versucht wurde, ihn für sich einzuklagen. Da sollte dann die LVZ die Verantwortlichen gleich nach Bekanntgabe unter Druck setzen. Meinungsmache, statt Danke sagen.

Kurz: Irgendwas war immer – eben auch Gemecker. Naja, so ist sie, die Welt, auch die Theaterwelt. Und die schönen Seiten am Preis nicht zu vergessen und die großartigen, mit ihm ausgezeichneten Produktionen. Danke dafür.

P.S.: Danke auch für die Miniburger auf dem Festivalbüfett.

Offenlegung: Tobias Prüwer ist ein ehemaliges Jury-Mitglied des Bewegungskunstpreises


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