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Stadtleben

Einmal Levante und zurück

Im Leipziger Osten geht die Sonne auf – in der Eisenbahnstraße vor allem kulinarisch

  Einmal Levante und zurück | Im Leipziger Osten geht die Sonne auf – in der Eisenbahnstraße vor allem kulinarisch

Wo sonst gibt es in Leipzig eine so beeindruckende Ansammlung arabischer, kurdischer, türkischer, persischer Händler – ergänzt um originelle Cafés und Restaurants? Die Eisenbahnstraße bietet vielen Menschen ein Stück kulturelle Identität und verändert dabei stetig ihr Gesicht. Also starteten drei kreuzer-Autoren eines Samstagmorgens Ende März einen kulinarischen Streifzug. Was für eine großartige Idee, jenseits großer Supermarkt-Ketten den eigenen Kühlschrank aufzufüllen!

Start ist 10 Uhr im Brothers, Café, Bäckerei und Multitalent: Hier gibt es von morgens bis abends türkisch-arabische Spezialitäten, kalt und warm, salzig und süß, umgeben von modernem Backstein-Schick. Wir begnügen uns mit knusprig-dünnen Manakish – eine zarte Flammkuchen-Alternative frisch aus dem Ofen, wahlweise belegt mit Käse oder Thymian. Draußen wird es langsam quirlig, die Auslagen der Lebensmittelhändler sind gut gefüllt. Gegenüber ist das Geschäft von Simko Jabary, 1997 einer der ersten Händler in der Magistrale. Obwohl es mittlerweile Dutzende weitere Läden mit ähnlichem Angebot gibt, »reicht es für alle«, sagt er und weist auf kleine Auberginen, Okra und Chili. Wir kaufen Koriander, Minze, Petersilie, alles Kräuter für Tabouleh, Fattoush, Hummus, Baba Ganoush und eine Lammschulter, die wir für einen Ausflug in die libanesische Küche planen.

[caption id="attachment_87107" align="alignright" width="250"] Frischen Fisch gibts im Furat-Markt[/caption]

In einer Orient-Rösterei begrüßt uns Alharath Suliman freundlich mit einer Tasse Mokka, mit viel Zeit und authentischen Gewürzen gekocht. Er ist Syrer, seine Bohnen kommen aus dem Jemen. Dort ist 
Mokka eine Hafenstadt, hier frisch aufgebrühtes, extrem fein gemahlenes Kaffeepulver, auf Wunsch mit Kardamom gewürzt. Den Kaffeesatz lassen wir ungelesen stehen und probieren nebenbei Pistazien, Mandeln, Wassermelonen- und Cashew-Kerne, die süß oder salzig geröstet neben aufwendig verpackten arabischen Süßigkeiten ausliegen. Die Einkaufstour führt weiter in den Furat-Markt. Hier findet sich alles, was das Herz der arabischen Küche begehrt. Linker Eingang: Halal-Fleisch von Huhn, Rind, Lamm und frischer Fisch wie Dorade, Lachs oder Sardinen. Rechter Eingang: Reis, Hülsenfrüchte aller Art, Milchprodukte im Kühlregal und so viele Gewürze, dass selbst der Jerusalemer Kochbuchautor Yotam Ottolenghi begeistert wäre. Wir brauchen die unentbehrliche Sieben-Gewürz-Mischung mit Muskat, Zimt und Nelken für unsere Fleischmarinade und Zatar, ein Gewürz mit Thymian und geröstetem Sesam. Es ist vielseitig einsetzbar und schmeckt auch pur mit etwas Olivenöl und Fladenbrot. Das purpurne Sumak aus der Essigbaumfrucht darf nachher auf Hummus und Baba Ganoush, einer Crème von gerösteten Auberginen, nicht fehlen.

Kurz vor 12 Uhr gehts noch auf einen Abstecher ins Solav-Café einer irakischen Familie. Sie bietet nicht nur Tee und supersüße Mandel-Baklava an, sondern auch Kibbeh, gefüllte Fleischbällchen und gefüllte Weinblätter. Wenn das Mittagsgeschäft beginnt, sind zwei Öfen im Dauereinsatz: ein Holzkohleofen, der Kebab von Kalb, Hähnchen oder Lamm grillt, die mit Salat, gegrillten Tomaten und duftendem gewürztem Gemüsereis serviert werden. Der andere Ofen, ein Tannur, steht in der Küche. Traditionell ist das ein großer Tonkrug, der in den Boden gesenkt und von innen befeuert wird. Nur für wenige Sekunden kleben ausgerollte Teigfladen an der Innenseite der glutheißen Ofenwände, bis sie als typisch knusprige Chubz, dünne Fladenbrote mit Teigblasen und großem Suchtfaktor, fertig gebacken sind.

Unsere Reise in die Länder des östlichen Mittelmeerraums, die Region Levante, setzen wir nun mitsamt den gekauften Zutaten in der heimischen Küche fort: Unter sachkundiger Anleitung wird die Lammschulter mit Joghurt, Knoblauch und Gewürzen mariniert, bevor sie stundenlang im Ofen verschwindet. Zeit, zwei Salate auf Basis glatter Petersilienblätter zuzubereiten: Tabouleh mit feinem Bulgur sowie Fattoush mit frischer Minze. Dazu soll es einen Reisauflauf mit Hackfleisch, Erbsen, gerösteten Mandeln und Pinienkernen sowie Hummus und Baba Ganoush mit Fladenbrot geben. Nach etwa vier Stunden beginnt ein echtes libanesisches Festmahl. Saha – guten Appetit!


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