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Kultur

»Wir haben Euch vermisst«

Die Galerien auf der Spinnerei warten mit neuen Ausstellungen auf. Ein kleiner Rundgang über das Gelände führt zu zufriedenen Galeriebesitzern

  »Wir haben Euch vermisst« | Die Galerien auf der Spinnerei warten mit neuen Ausstellungen auf. Ein kleiner Rundgang über das Gelände führt zu zufriedenen Galeriebesitzern

Anfang Mai wollten die Galerien auf der Spinnerei mit dem Frühlingsrundgang 15-jähriges Bestehen auf dem Gelände in Neulindenau feiern (mehr dazu in der Ausgabe des kreuzer 5/20 »Eine Marke geschaffen«). Daraus wurde nichts. Von Mitte März bis Anfang Mai blieben die Galerien geschlossen. Nach der Pause öffneten einige Galerien – wie Kleindienst, Thaler Originalgrafik oder b2 – in der ersten Maiwoche mit Gruppenausstellungen.

»Inside«Bereits lange vor dem Shutdown gab die Galerie Thaler Originalgrafik zwanzig Kunstschaffenden das Thema »Inside« für eine Gruppenausstellung vor. Bis Ende Juli sind die vielfältigen Interpretationen von Innenansichten auf Papier zu betrachten. Sie stammen von Peter Busch über Friederike Jokisch, Christoph Ruckhäberle, Maria Sainz Rueda bis zu Matthias Weischer.

Die Vielzahl an Porträts erinnert an die nahe liegende Selbstreflexion, wenn es um das Innere geht. Die Coronazeit hat allerdings auch ganz andere Aspekte in den Vordergrund treten lassen, wenn das Innere gar nicht nach außen gehen kann und plötzlich das soziale Leben durch digitale Kanäle fließen muss. Dass viele Innenansichten mit dem Motiv des Insichruhens und der Leere verbunden werden, knüpft sicherlich an die Erinnerung von einigen Betrachtenden an. Es gibt zudem Handlungsanweisungen, die Paule Hammer formuliert: »In zugigen Räumen winzige Drachen steigen« zu lassen oder »Malen Sie sich Schimmelflecken an die Wand.«

Galerist Ulrich Thaler nahm eine große Freude bei den Besuchern wahr – sich endlich wieder Kunstwerke in Echtzeit und an einem realen Ausstellungsort anschauen zu können. Dass es nicht nur bei der Wiederfreude blieb, sondern viele die Gelegenheit nutzten, um Kunstwerke zu erstehen, freut ihn umso mehr. Einerseits kann dies an den Motiven und der Qualität der Arbeiten liegen, die sich möglicherweise näher als sonst am eigenen Gemütszustand befinden. Andererseits ist seit einigen Jahren das Interesse an niedrigpreisiger Grafik zu bemerken.

»Wir haben Euch vermisst«Ein großes Interesse verbunden mit Kaufabsichten und Käufen bilanziert ebenso die Galerie Kleindienst. Dies galt und gilt für die Gruppenausstellung, die bis zum 23. Mai zu sehen war und fast zwanzig Galeriekünstler zeigte, und nun für die seit Freitag zu sehende Einzelausstellung von Tilo Baumgärtel mit dem Titel »Mafant«. Baumgärtel, der vor kurzem die Professur für Malerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle antrat, entwarf dafür wieder Landschaften mit witzig-absurden Situationen von Menschen und Tieren. Die dazwischen gestreuten Werke aus den Jahren 2015 und 2016 verweisen auf seine Kontinuität an Themen und die anhaltende Lust an düsteren Landschaften voller Ironie.

Bereits bei der Gruppenausstellung stellte Galerist Christian Seyde fest, dass sich die Menschen freuten, wieder da zu sein. Des Öfteren bekam er zu hören: »Wir haben Euch vermisst.« Der wochenlange Verlust am realen Galerieraum führte zu Kunsteinkäufen. Als einen Grund sieht Seyde die Unterstützung der Galerine und Kunstschaffenden durch die Käufer. Eine andere Motivation möchte er auch jedoch nicht unterschlagen: Das Zuhausesein führte einige Menschen möglicher Weise dazu, sich bewusst zu werden, dass Kunstwerke in den eigenen vier Wänden vielleicht sehenswerter sind als Drucke aus der Inneneinrichtung von Möbelhäusern.

Eine neue Solidarität»Schwere Kraft« lautet der Titel der neuen Soloausstellung von Robert Seidel bei Aspn. Dabei bleibt vor allem das Grau in Grau gehaltene Porträt eines Mannes vor der Donauquelle in Erinnerung. Die glatte Oberfläche verheimlicht nicht die darunterliegende Gewalt.

Arne Linde von Aspn benennt die Solidarität als eine der wichtigsten Erfahrungen der letzten Monate. Die Coronakrise und der geschlossene Galerieraum bedeutete eine Umstellung der Arbeitsweise, die nicht in der Begegnung vor Ort liegt. Daher zeichnete sich auch die Kontinuität in den Beziehungen zu den Käufern aus, die sich in solcher Krisenzeit als belastbar herausstellten. An Unterstützungsangeboten mangelte es Linde und Carolin Nitsch nicht, das wiederum sehen sie als Verweis für ihre bisher geleistete Arbeit.

Trotzdem mahnt Linde ein Neudenken an – wie Kunstschaffende in der Stadt unterstützt werden müssen. Dies darf ihrer Meinung nach nicht allein in den Händen der Privatwirtschaft liegen. Vielmehr müsse über neue Strategien der Ankäufe nachgedacht werden.

StaatskunstAb 20. Juni zeigt die Halle 14 die Ausstellung »Kunst(Re_Public)«. Dabei geht es um das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit anhand der Sammlung des Kunstfonds. Als Bestand der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist die Sammlung laut Selbstaussage »eine der bedeutendsten Kunstsammlungen zur sächsischen Kunst nach 1945« mit mehr als 30.000 Werken. Seit 15 Jahren kauft der Freistaat über seine Kulturstiftung Kunstwerke von vor allem jungen Kunstschaffenden an.

Es gibt jetzt bereits Einblicke – wie die Arbeiten von Angelika und Johannes Rochhausen. Zu Beginn des Parcours steht die Plastik »Der Zögling« von Sebastian Gögel als eine mögliche ironische Sicht über diese Form der staatlich geförderten Kunst.

GeschichtenAuf 28 Jahre Galeriearbeit kann Jochen Hempel zurückblicken. Unter dem Titel »Walking through the fields of history« zeigt er die Künstler der letzten Jahre, die der Galerie angehörten bzw. angehören. Dabei zeigt sich, dass nicht nur seine Galerieräume mit den flexiblen Raumkonstruktionen immer wieder neue Sichtachsen schaffen können. Vielmehr bildet die Auswahl des Galeristen ein hohes Maß an Flexibilität und Dynamik in Hinblick auf von Form und Inhalt, der durchaus sehr weit auseinander liegenden künstlerischen Positionen. So werden nicht nur ein paar Jahrzehnte Leipziger Kunst präsentiert, sondern auch Einflüsse von außen. Dass Hempel die Ausstellung eigentlich für Wien konzipierte und durch Corona nun in Leipzig zeigt, kann als ein positiver Aspekt bewertet werden.


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