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Kultur

Demut vor dem Gipfel

Fotograf Sammy Hart nimmt mit in die Berge

  Demut vor dem Gipfel | Fotograf Sammy Hart nimmt mit in die Berge

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Mit Fotograf Sammy Hart erklimmt Literaturredakteurin Linn Penelope Micklitz diesmal die Alpen.

Im Jahr des Abstands ist der Bildband des Münchner eine Wohltat für die Wunden, die das Fernweh geschlagen hat. Nicht nur, weil das Betrachten der Fotografien einen sofort reinzieht, oder besser, hinauszieht in die Berge. Sondern auch, weil die abgebildeteten Gipfel allesamt Teil der Alpen sind, und damit ja sogar unter den aktuellen Umständen zu erreichen. Und Distanz lässt sich zu dieser Jahreszeit auf den Wegen auch halten. Wer jetzt besorgt an kitschige Alm-Impressionen und süffig-herzhafte Hüttengaudi denkt, sei beruhigt. Hart geht abseits des Gute-Laune-Tourismus: »Wenn ich mich dann im Wetter bewege, gibt es kein Lamentieren, dann werde ich zu einem sehr kleinen Teil einer größeren Ordnung, zu der ich mich verhalten muss.«

[caption id="attachment_117831" align="alignright" width="320"] Foto: Sammy Hart[/caption]

Diese Demut vor dem Gigantismus der Berge bestimmt die Wege, die Hart wählt und sie grundiert seine Bilder mit dramatischer Stimmung. Im einleitenden Text des Fotografen gibt er zweifelnd zu, »dass möglicherweise jede Geschichte schon erlebt, jedes Bid bereits gemacht ist.« Doch für ihn ist auch klar, was Heraklit zumindest so ähnlich mal über Flüsse gesagt hat: »man geht nie zweimal auf denselben Berg.« Und so überkommen einen beim Betrachten und Blättern in »Ocean of Clouds« auch keine Gefühle des Überduss. Im Gegenteil, die Berge verbrauchen sich nicht beim Ansehen. Jedes erneute Mustern eröffnet Neues, man schaut nie zweimal auf dasselbe Bild. Da lugt der Mond zurückhaltend durch ein Wolkenloch, plötzlich schälen sich die Silhouetten von Menschen aus der kargen Ebene, ein Schamane wandelt durch den Schnee und ein weißes Pferd steht unschlüssig in einer wilden Senke. Doch meist sind es die Gipfel selbst, die sprechen, eingehüllt in ein, wie könnte es anders sein, Meer aus Wolken.

Reiseautor Titus Arnu stellt den Fotografien einige Worte voraus. Die braucht es aber gar nicht – die Berge schweigen für sich.


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