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Kultur

»Lebendige Sportkultur ins Museum bringen«

Ein Gespräch mit Aiko Wulff, dem neuen Leiter des Sportmuseums, über seine Vision des Museums und die Wiedereröffnung 2024

  »Lebendige Sportkultur ins Museum bringen« | Ein Gespräch mit Aiko Wulff, dem neuen Leiter des Sportmuseums, über seine Vision des Museums und die Wiedereröffnung 2024

Seit Herbst letzten Jahres leitet Aiko Wulff das Leipziger Sportmuseum. Eröffnet 1977 im Hauptgebäude des damaligen Zentralstadions, wurde die auf 600 Quadratmeter zu sehenden Dauerausstellung 1991 geschlossen. Die umfangreiche und vor allem im Hinblick auf den lokalen und DDR-Sport hoch interessante Sammlung fand im Keller des Olympiastützpunktes ein neues Zuhause. Wulff präsentierte in dieser Woche einige Museumsobjekte im Depot des Stadtgeschichtlichen Museums im Böttchergäßchen als Zeichen des Aufbruchs - hin zu einem lebendigen und offenen Sportmuseum.

kreuzer: Der Direktor Operations bei RB Leipzig, Ulrich Wolter, erklärte bei der Einweihung der Werner-Seelenbinder-Gedenktafel im Dezember 2019, dass rechtzeitig zur Fußball-Europameisterschaft 2024, bei der Leipzig eine Spielstätte sein wird, weder im noch am Stadion Baustellen vorhanden sein werden. Mit anderen Worten: In drei Jahren ist das Sportmuseum wieder offen? Aiko Wulff: Ja, da hängen wir uns gern an RB ran, die bis zur Fußball-Europameisterschaft 2024 ihre Geschäftsstelle im Sportforum beziehen wollen. Die Verhandlungen mit der Stadt laufen und wenn der Zeitplan eingehalten wird, dann können wir dann als Mieter von RB in die Geschäftsstelle einziehen. Deshalb machen wir jetzt unsere Hausaufgaben, dass wir dann auch sprungbereit sind.kreuzer: Was verstehen Sie unter Hausaufgaben?Wulff: Wir sichten die Sammlung kritisch unter der Fragestellung – was kommt in die Dauerausstellung? Wir fangen jetzt mit dem Umzug aus dem Keller im Olympiastützpunkt an, arbeiten an einer Ausstellungskonzeption und an einem Ausstellungsdrehbuch. 2024, das Datum ist nur ein Zufall, werden wir auf dem Alten Messegelände das neue Zentralmagazin beziehen können. Spätestens dann ist der Olympiastützpunkt endgültig Geschichte.

[caption id="attachment_123245" align="alignright" width="320"] Aiko Wullf, Foto: Stadtgeschichtliches Museum[/caption]

kreuzer: Die bisherige Konzeption des Sportmuseums sah die Unterbringung in der Nordtribüne des ehemaligen Schwimmstadions vor. Ist die noch aktuell? Wie sieht ihre Vision zum Sportmuseum Leipzig aus?Wulff: Das Konzept von 2007 hat der Stadtrat beschlossen und ist verbindlich für uns. Das ist ein gutes Konzept und bildet für mich die Arbeitsgrundlage. Es haben sich aber seit dem die Rahmenbedingungen geändert. Die Visualisierung von damals war ein Diskussionsangebot, auch für die Gespräche mit RB. Es wird natürlich, wenn RB die Baugenehmigung erhält, auch ein Wettbewerb ausgeschrieben. Wir wissen jetzt noch nicht, wie das Gebäude am Ende aussehen wird. Wir machen jetzt erst einmal eine Funktionsbeschreibung – was wollen wir im Inneren machen.

kreuzer: Die Konzeption sah viel Platz für Bewegung vor und kein Museum, in dem sich Wimpel an Wimpel reiht. Bleibt der Plan so bestehen? Wulff: Die große Stärke des Sportmuseums ist natürlich die Bewegungskomponente. Das wollen wir stark machen. Es geht inhaltlich um Bewegung und die wollen wir ebenso den Besuchern ermöglichen. Es wird viele Mitmachstationen in der Ausstellung geben. Wie das im Detail aussehen wird, erarbeiten wir in den nächsten Jahren.

kreuzer: Kann die Wiedereröffnung über die Stadt hinaus ein Signal in der Museumslandschaft setzen?Wulff: Sportmuseen haben einen schweren Stand. Das sehen wir aktuell bei der Stiftung Sport der Schweiz in Basel. Sie befindet sich in der Liquidation, die exzellente und historische Sammlung wird aufgelöst. Das gleiche hätte uns in Leipzig in den 1990er Jahren auch passieren können. Der Stadtrat hat zum Glück gesagt: »Wir retten die Sammlung.«Wir sind die Anlaufstelle für Überlieferungen der materiellen Kultur zum Thema Sport in Leipzig, der Region und Mitteldeutschland. Sportmuseen sind kulturhistorische Spezialmuseen so wie ein Brot- oder Industriemuseum. Sport ist allerdings ein Querschnittsthema in unserer Gesellschaft und der kleinste gemeinsame Nenner. So erreichen wir viele Menschen, die sich für Sport interessieren, die Sport selbst treiben. Deshalb wollen wir den Menschen Angebote machen, die nah an ihrer Vorstellung von Sport liegen. Uns ist das Teilhabe-Prinzip wichtig. Wir wollen von vornherein mit den Vereinen zusammenarbeiten, wir wollen nicht als Kuratoren und Historiker den Leipzigern vorschreiben, was Sportgeschichte ist. Wir wollen eine lebendige Sportkultur von heute in das Museum bringen. Das schaffen wir im Dialog mit den sportlich Aktiven.

kreuzer: Sie haben eine Auswahl an Objekten zum Umzug in das Depot Böttchergässchen ausgewählt. Was erzählen sie?Wulff: Wir haben 90.000 Objekte und das sind jetzt nicht die einzigen Objekte, die wichtig sind im Sportmuseum. Sie verweisen auf verschiedene Aspekte. Der FDGB-Pokal, das ist die älteste Variante des Pokals, ist eins unserer populärsten Objekte. Er wird immer wieder angefragt, weil 19 Vereine drauf stehen, die den gewonnen haben. Dann ein Foto vom Allgemeinen Turnverein Leipzig 1845, der älteste Sportverein in Leipzig. Damals musste der Verein dem Stadtrat erklären, dass sie dem Gemeinwohl dienen. Frauenturnschuhe aus den 1930er-Jahren sind aus zwei Gründen interessant: Die Frauen mussten sich die Sportkleidung erkämpfen und es gab im Kaiserreich großen Widerstand dagegen, nicht nur von Männern, auch von Frauen. Sie fürchteten, dass es einen Sittenverfall gibt. Sie zeigen aber auch, wie die Schuhe auf einzelne Sportarten zugeschnitten wurden. Es sind ganz leichte Schuhe, die sich sehr gut zum Turnen eignen. Dann haben wir hier ein Trikot von der Leipziger Handballerin Grit Jurack. Handball ist eine Sportart, bei der Frauen von Anfang an vertreten waren. Jurack hat über 300 Länderspiele für Deutschland absolviert, ist Rekordnationalspielerin. Das ist das Trikot von ihrem Abschiedsländerspiel gegen Tschechien 2012. In der Hutschachtel von Heinrich Schomburgk befand sich der Zylinder, den er nach seinem Olympiasieg 1912 in Tennis beim Empfang mit dem schwedischen König aufsetzte. Hier die Eintrittskarte des ersten Fußballnationalspiels in Leipzig. Stehplatz Deutschland gegen die Niederlande 1912 endete mit einer 2 zu 3 Niederlage. Das ist ein kleines Ensemble von den Objekten, die im Museum zu sehen sein werden.


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