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Mehr als bloß ein Davidstern

Antisemitismusvorwurf gegen Westin Hotel Leipzig

  Mehr als bloß ein Davidstern | Antisemitismusvorwurf gegen Westin Hotel Leipzig

Gil Ofarim wirft einem Mitarbeiter des Westin Hotels Leipzig Antisemitismus vor – dieser bestreitet das. Neue Informationen mehren Zweifel an der Darstellung des Sängers, die Lage bleibt unklar. Eine Chronik über das, was passiert ist.

Gil Ofarim wirft einem Mitarbeiter des Westin Hotels Leipzig Antisemitismus vor – dieser bestreitet das. Neue Informationen mehren Zweifel an der Darstellung des Sängers, die Lage bleibt unklar. Eine Chronik über das, was passiert ist.

Es ist ein Video, das bundesweit für Aufmerksamkeit und Reaktionen sorgen wird: Darauf zu sehen ist der Sänger Gil Ofarim, der vor dem Eingang des Westin Hotels in Leipzig sitzt, um seinen Hals trägt er eine Kette mit Davidstern. Aufgelöst berichtet er davon, was ihm gerade passiert sei: Als sich Ofarim am Check-in darüber beschwert, dass Gäste in der Schlange vorgezogen werden, fordert man ihn auf, seine Kette einzustecken. »Pack‘ deinen Stern ein« zitiert der Sänger den Mitarbeiter des Hotels.

Das zweiminütige Video, indem Ofarim den Fall schildert, geht schnell viral. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker verurteilen den geschilderten Fall. Darunter auch Martin Dulig (SPD), der sich bei dem Sänger via Twitter stellvertretend »für die übergroße Mehrheit der Menschen in #sachsen« entschuldigte. Noch am Abend der Veröffentlichung des Videos versammeln sich außerdem mehrere Hundert Menschen vor dem Westin Hotel in Leipzig. Dabei sind auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels anwesend, sie halten ein Transparent mit Israelflaggen und Halbmonde – eine Solidaritätsbekundung, die nach hinten losgeht. Vom Zentralrat der Juden heißt es später: »Nach der antisemitischen Anfeindung gegen einen Juden in Deutschland fällt dem Hotel nichts anderes ein, als die israelische Flagge und Symbole des Islam auf ein Banner zu drucken«.

Kritik wurde zudem laut, da das Hotel zur Absicherung bei der Solidaritätskundgebung die Sicherheitsfirma »Pro GSL« beauftragt hatte. Die beiden Geschäftsführer von »Pro GSL« sind in der Vergangenheit bei Legida-Demonstrationen gesichtet worden. Einer der beiden war Teil des rechten Mobs, der 2016 in Connewitz wütete. Er wurde kürzlich zu elf Monaten Bewährung und 2.500 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Sächsische Verfassungsschutz informierte die Stadt Leipzig bereits über die Verbindungen der »Pro GSL«-Geschäftsführung in die rechte Szene. Ob die Sicherheitsfirma die Lizenz weiterhin behalten darf, werde aktuell geprüft, heißt es nach Angaben der Leipziger Volkszeitung.

Knapp eine Woche nach der Veröffentlichung des Videos erstattete Ofarim Anzeige gegen den Westin-Mitarbeiter. Auch der Beschuldigte reagiert prompt und zeigt Ofarim wegen Verleumdung an. Er beteuert, er habe Ofarim nicht beleidigt. Der Sänger wiederum stellte daraufhin eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gegen den Hotel-Mitarbeiter.

Die »Bild am Sonntag«veröffentlichte währenddessen Bildmaterial der Überwachungskameras des Westin Hotels, das Zweifel an Ofarims Darstellung der Vorkommnisse aufkommen ließ, da Ofarim auf den Bildern ohne Davidstern-Kette zu sehen ist. Der Sänger beteuert jedoch weiterhin, dass er den Stern im Hotel getragen habe. In einem Interview mit der »Leipziger Volkszeitung« gab er an, dass nicht alle Aufnahmen der Kameras gezeigt worden seien. Auf die Frage, ob er sich sicher sei, antisemitisch beleidigt worden zu sein, antwortet Ofarim mit: »Ja, bin ich, felsenfest.«

Aktuell wird der Vorfall von der Staatsanwaltschaft geprüft. Auch das Westin Hotel ließ den Vorfall durch eine Rechtsanwaltskanzlei aufarbeiten. Dabei wurden die Videoaufzeichnungen und Aussagen der Mitarbeiter und Gäste ausgewertet. Das Ergebnis des 118 Seiten langen Berichts: Das Hotel will keine Maßnahmen gegen den beschuldigten Mitarbeiter ergreifen. Dieser sei nach seiner Beurlaubung bereits wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Bis zum Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft möchte das Westin den internen Bericht nicht öffentlich machen.

VINCENT EBNETH


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