Ein Erinnerungs-, Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Begegnungs- ort soll hier entstehen. An welchen dieser Aspekte wird Hentrich & Hentrich beteiligt sein? Um das noch mal transparent zu machen: Diese Gewerbefläche hier gehört einem Privatbesitzer aus Bayern, der aber von Anfang an dem Geschichtsort sehr aufgeschlossen gegenüberstand und auch sehr ge duldig war – er hätte schließlich auch an irgendjemanden vermieten können. Aber er wollte auf eine Option warten, die dem Ort gerecht wird. Angemietet hat die Fläche jetzt die Stadt Leipzig, da sind wir als Verlag Untermieter. Der Veranstaltungs und Ausstellungsraum be durfte eines eigenen Betreibers und dafür wurde jetzt die CAPA Culture gGmbH gegründet, die klar vom Verlag und von der Stadt getrennt ist, also da fließen auch keine Fördermittel. Und die Dauerausstellung, demnächst erweitert um Gerda Taro, wird vom Stadtgeschichtlichen Museum betreut und von der Initiative CapaHaus beratend begleitet. Wir bespielen diesen Ort praktisch alle gemeinsam. Wir werden hier als Verlag immer wieder Veranstaltungen machen, die sich in einem jüdi schen Kontext bewegen und sich mit Themen wie Krieg, Konflikt, Wider stand und Resilienz beschäftigen. Unsere erste Verlagsveranstaltung findet am 5. Oktober statt: die Buchvorstellung von »Judenhass Under ground«, wo es um Antisemitismus und Populärkulturen geht. Wir können auch Filme zeigen, Präsentationen und Podiumsdiskussionen durchführen … Und ab dem 1. September wird hier die erste Wechsel ausstellung zu Gerda Taro zu sehen sein, konzipiert von Irme Schaber. Ihre Themen als Verlag umfassen ja jüdisches Denken, Leben, jüdische Geschichte. Wie geht der gegenwärtige deutsche Buchbetrieb aus Ihrer Sicht mit diesen Themen um? In den letzten Jahren haben jüdische Perspektiven und Stimmen mehr Öffentlichkeit erfahren. Bis vor ein paar Jahren noch war es sehr üblich, dass zwar über Jüdinnen und Juden gesprochen wurde, aber nicht mit ihnen, beziehungsweise ihre Stimmen nicht gehört wurden. Gerade die Nachkommen jener Menschen, die in den neunziger Jahren als soge nannte Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion hierher gekommen sind, haben eine größere Öffentlichkeit erfahren und sie sich auch erobert. Im Kulturbetrieb allgemein bedarf das Thema Anti semitismus immer noch einer gewissen Diskussion und Bearbeitung. Gerade der Kulturbetrieb definiert sich ja als so progressiv, links und antidiskriminatorisch, ist dann aber oftmals blind gegenüber Anti se mitismus, der aus linken Kreisen kommt, der eine klar antiisraelische Konnotation hat. Natürlich muss man gegenwärtig der israelischen Regierung gegenüber kritisch sein. Aber wir als Verlag merken zum Bei spiel bei Veranstaltungen immer wieder, dass man da vor bestimmten Themen zurückschreckt, nach dem Motto: Darf man das denn überhaupt sagen? Es sollte aber möglich sein, sich mit allen Aspekten von Anti semitismus zu beschäftigen, ohne dass man das auf bestimmte Gruppen oder Wurzeln beschränkt. Und ein weiterer Punkt betrifft die Situation der unabhängigen Verlage, die immer schwieriger wird. Ich weiß nicht, wie es in Zukunft ohne eine strukturelle Verlagsförderung weitergehen soll. Das mit den Ver lagspreisen ist nett gemeint, aber es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Und ganz viele, die eine Förderung genauso verdient hätten, gehen leer aus. Das Groteske an der Situation ist: Die öffentliche Hand bedient sich so gern unserer Bücher, Themen, Autoren, befüllt damit eigene Diskurse und sieht uns als Kulturproduzenten. Aber wenn wir dann sagen: Wir müssen dafür auch bezahlt werden, wir sind ja nicht öffentlich subventioniert! Dann kommt die Antwort, dass wir ja kommer ziell seien und das daher nicht ginge. Das ist eine derartige Asymmetrie, dass die Verlage so viel in die Gesellschaft hineinpumpen, aber dann gleichzeitig kommerziell funktionieren sollen, was ihnen schlussendlich wieder zum Vorwurf gemacht wird. Welchen Anspruch haben Sie an den Verlag Hentrich & Hentrich, wo sehen Sie seine Kernaufgabe? Einerseits war es mir von Anfang an wichtig, dass ich die jüdische Kultur und Zeitgeschichte nicht nur von ihrer Zerstörung aus erzähle. Das war 2010, als ich den Verlag übernommen habe, noch nicht selbstverständlich. Wenn es damals um das Judentum ging, spielte sich das meiste im Zeitraum von 1933 bis 1945 ab. Und ich finde, es muss auch die Ge MAGAZIN | LOGBUCH schichte davor und danach erzählt werden. Dann wollten wir schon im mer aus und mit jüdischer Perspektive erzählen. Das geht auch mit his torischen Persönlichkeiten, deren Ziele, Ambitionen und Werke wieder ein Forum bekommen. Aber es geht natürlich auch um gegenwärtige jü dische Stimmen und wie sie sich in Gesellschaft, Kunst, Kultur und Politik ein bringen. Wir wollen ein großes zeitliches und thematisches Spektrum bedienen und jüdische Geschichten erzählen, die abseits von Lehr büchern und dem öffentlichen Bewusstsein stattfinden. F O T O : G E R D A T A R O Wurde 1913 in Budapest geboren: Der Kriegsreporter Robert Capa Mit den historischen Persönlichkeiten sind wir wieder bei Taro und Capa angekommen. Welche Bedeutung haben die beiden heute? Die beiden stehen für vieles. Gerda Taro steht mit ihrer Familie für eine typische bürgerliche jüdische Familie Anfang des 20. Jahrhunderts, die fest hier in Deutschland verankert war, aber nicht die deutsche Staats bürgerschaft besaß, wie so viele. Das hat sie noch viel anfälliger gemacht für Diskriminierung, Entrechtung und Ausgrenzung. Sie stehen für den Wunsch nach Emanzipation, für Widerstand, für den Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten. Sie stehen für ein Judentum, das sich keinesfalls auf Religion reduziert, sondern eine Philosophie in sich birgt. Da geht es auch um Streitkultur, um aktive Beteiligung. Und wenn man heute die Fotos von Capa und Taro anschaut, wird klar: Das ist nicht his torisch abgeschlossen. Im Kontext des UkraineKrieges bekommt das eine ganz neue Dimension: Wer kämpft eigentlich für wessen Frei heit? Durch welchen Kamerablick nehmen wir Kriege und Konflikte wahr? Die Fotos der beiden haben eine erschreckende Zeitlosigkeit. INTERVIEW: ALEXANDRA HUTH ANZEIGE Heute mit 8 Seiten extra Wochenendbeilage »faulheit & arbeit« · · 2 , 7 0 E U R O ( AT ) , 2 , 5 0 E U R O ( D E ) , 5 . 0 0 0 A b 3 , 0 0 C H F ( C H ) · G E G R Ü N D E T 1 9 4 7 S A . / S O . , 2 8 . / 2 9 . J A N U A R 2 0 2 3 , N R . 2 4 H e u t e m i t 8 S e i t e n e x t r a W o c h e n e n d b e i l a g e » f a u l h e i t & a r b e i t « l t e n W i r s o l u n s m a l k e n n e n l e r n e n : Rassismus Debatte: Zur Verwendu Wolfgang Koeppens Ro » Tauben im Gras« im S richt. Eine Erwiderung Detlef Grumbach. Von Gertrud Rettenmaier Jetzt bestellen: jungewelt .de/probeabo Siehe Seite 16 und beiliegenden Fl i e Pr e ssef r e i h e i t ! B e ste l le n a u f j u n gew 5 .0 0 0 A b os f ü r d i e Pr e ssef r e i h e i t ! B e ste l le n a u f j u n ge D e b a t t e u m P a n z e r a b g e n i c k t , F o r d e r u n g , K a m p f j e t s e r ö f f n e t : w e s t l i c h e s M i l i t ä r b ü n d n i s s o l l e V o n R e i n h a r d L a u t e r b a c h » m u t i g e r « w e r d e n . s i c h e i n e N AT O - K o - i o n a u s L i e f e r a n t e n g e - K a u m h a t b r a u c h t e r » L e o p a r d « - P a n z e r r ü c k e n a u c h D i e U k r a i n e a n d i e U k r a i n e g e b i l a n g e m . i n d e n B l d e r e n L i e f e r u n g s e i K a m p f j e t s s a g t e j Wo l o d i m i r S e l e n s k i f o r d e r t i c h e n V i d e o a n s p r a c h e P r ä s i d e n t d i e U k r a i n e t ä g l s e i n e r a m D o n n e r s t a g a b e n d , D i e i n » a d ä q u a t e « Wa f f e n . d a s T h e m a w e r d e b r a u c h e Z u d e r F r a - e r k l ä r t e n , l a n g e m » a n a l y s i e r t « . o b e s k o n k r e t e A b s i c h t e n g e b e , U S A i n t l e S p r e c h e r s e i s i c h o f f i z i e l D a g e g e n g e , . n i c h t ä u ß e r t e n e r k l ä r t e n d i e N i e d e r l a n d e u n d P o l e n , l Wa s h i n g t o n a k t u e l i e f e r u n g e n a n F r a n k r e i c h W e r s t o p p t d i e N A T O ? 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APRIL 2023, NR. 83 · 2,50 EURO (DE), 2,70 EURO (AT), 3,00 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT Den Frieden gewinnen Frankreich: Blackrock-Fil Paris. In Frankre mehr als eine halbe schen gegen die sene Rentenreform gegangen. Nach beteiligten sich verschiedenen 570.000 Mensc trationen gegen Anhebung des alters von 62 Gewerkschaf zwei Millionen der Hauptstadt der »Reform« vestmentgesellsc ein. »Es brauc Rentensystem gibt es welc der Gewerk zufolge ins Lebensjahr nehmen, sollte chen.« Die mittlerweile aber noch Verfassun Siehe K Seite 9 Russl von Ge Sie lügen wie gedruckt . Wir drucken, wie sie lügen. Höhepunkt der Ostermärsche 2023 am Wochenende: »Krieg löst keine Probleme – die Waffen nieder!« Von Arnold Schölzel I I T O L L O B N A R O L F I m Zeichen des anhaltenden Ukrai- ne- Krieges und militärischer Es- kalation im Nahen Osten begann am Donnerstag die zentrale Phase der diesjährigen Ostermärsche. Aktionen gab es beispielsweise in Erfurt, wo MDR Hunderte Menschen sich laut versammelten, Freiburg und Königs Wusterhausen. Erste Kundgebungen und Demonstrationen hatten zuvor bereits in Osnabrück, Tübingen und am vergangenen Sonnabend in Pots- dam stattgefunden. Am Freitag trafen sich Aktive der Friedensbewegung im hessischen Bruchköbel, in Chemnitz und vor dem Luftwaffenstützpunkt im schleswig- holsteinischen Jagel. Am selben Tag begannen die Ostermär- sche in Nordrhein-Westfalen mit einer Demonstration zur Urananreicherungs- anlage im münsterländischen Gronau. Gefordert wurde deren Stillegung. An diesem Sonnabend sind in mehr als 60 Städten, darunter Köln, München, Ber- lin und Hannover, Aktionen geplant. In Duisburg startet der Ostermarsch Rhein- Ruhr, der unter anderem nach Wuppertal, Köln, Düsseldorf und Dort- mund führt. Den Abschluss bilden am Montag Märsche etwa in Frankfurt am Main, Hamburg und Nürnberg. Willi van Ooyen von der Informa- tionsstelle Ostermarsch in Frankfurt am Main teilte am Donnerstag in einer Erklärung mit, die Vorbereitungen der diesjährigen Ostermärsche zeigten Drei Wochen gratis! Probeabo endet automatisch, muss nicht abbestellt werden Bestellen unter: jungewelt.de/probeabo • Abotelefon: 0 30/53 63 55-84 Galeria-Chefs drohen Beschäftigten an diesem Sonnabend verbieten Ostermarsch der Friedensbewegung im vergangenen Jahr in Berlin eine lebendige Friedens bewegung in allen Regionen. Über 120 Initiativen, darunter einige neue in Ostdeutsch- land, haben demnach Aktionen ange- kündigt – mehr als 2022. Die übergroße Mehrheit im Bundestag setze auf mili- tärische Siege und weitere Milliarden Euro für Rüstung und Militär. Van Oo- yen: »Dagegen demonstrieren wir zu Ostern. Krieg und Militär können nicht die wirklichen Probleme in der Welt lösen. Vorhandene Konflikte werden weiter verschärft. Rüstung und Militär verschlingen Ressourcen, die insbeson- dere für die sozialen und ökologischen Herausfor derungen dringend benötigt werden.« Die Forderung nach soforti- ger Waffenruhe in der Ukraine, einer Verhandlungslösung und einer neuen internationalen Kooperation und Zu- sammenarbeit werde immer lauter. Die ersten Kundgebungen richteten sich auch gegen atomare Aufrüstung forderte und Waffenlieferungen. So der Flensburger Arzt Ralf Cüppers am in Jagel: »Die Bundesregie- Freitag rung muss endlich den UN-Atomwaf- fenverbotsvertrag unterzeichnen und ratifizieren. Keine neuen Atombomber für die Bundeswehr und Ende der ato- maren Teilhabe!« In Freiburg erklärte am Donnerstag der Bundessprecher der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« Jürgen Grässlin: »Im (DFG-VK), Atomzeitalter steht die Existenz der gesamten Menschheit auf dem Spiel. Deshalb fordern wir die Abschaffung aller Atomwaffen!« Er verlangte ein »neues scharfes Rüstungsexportkont- rollgesetz, das der Beihilfe zum Mor- den ein Ende setzt«. Franziska Pfab, A P D / P A / A R M A H L Jugendsekretärin der Gewerkschaft Verdi, sagte auf der Kundgebung vor rund 200 Teilnehmern: »Die Gewerk- schaften fordern, dass es Gespräche ge- ben muss, da wir durch immer weiteres Aufrüsten den Krieg nicht beenden.« Die bürgerlichen Medien begleiteten die Manifestationen mit dem seit Jahr- zehnten üblichen Propagandageklap- per. FAZ : »Die Friedensbewegung ließ sich von Moskau instrumentalisieren.« NDR : »Wie zeitgemäß sind die Proteste noch?«. Spiegel und Deutsche Welle be- richteten ausschließlich von Zersplitte- rung der Friedensbewegung und Kritik an ihr. Die Medien konnten sich dabei in Städten wie Berlin und Hamburg auf Spalteraktionen der NATO- nahen Teile der Partei Die Linke und des DGB stützen sowie auf nationalistische Akti- Siehe Seite 4 visten Kiews. I L A H K Ankar nister des internationalen zur A Ukraine sagte türkisc Cav solle beim Ex Getr darüber A die A run R www.kreuzer-leipzig.de n 21 n