THEATER Geist »Erscheinungen«: Diederik Peeters (Brüs- sel) schaut in Leipzigs Vergangenheit als Spiritismuszentrum. Die Performance lässt Körper ohne Stimmen (auf)erstehen und ruft die Gespenster aus dem Äther an. »Hunde, wollt ihr ewig leben?« Die Antwort lässt das Publikum von allen guten Geis- tern verlassen zurück. TPR ■ 14./15., 20.–22.6., 20 Uhr, Residenz/Spinnerei Macht Die Apokalypse ist da: Das Jugendthea- terprojekt »Dunkles Land« lotet die fi nale Konsequenz technischer Machbarkeitsfan- tasien aus. Was, wenn alle Macht implo- diert? Was macht man nach dem Weltun- tergang? In einer Welt ohne Strom? Wenn es nur noch ums nackte Überleben geht? TPR ■ 13./14.6., 19 Uhr, Halle D/Werk 2 Wahn »EskalationWeekender – Escape!«: Raus in die Freiheit, den Käfi g der Vernunft verlas- sen. Das Jugendtheater fährt allerhand auf, um den Eskapismus hübsch gemütlich aus- zukleiden. Fette Bässe, satte Beats. Hallo, Endorphin! Es geht um den Einzelnen und die Gruppe, Mensch und Masse und das Verschmelzen in Trance. TPR ■ 27.–29.6., 20 Uhr, Kulturwerkstatt Kaos F O T O : T O M S C H U L Z E Unverfü gbar N eulich berichten mir Freunde von ei- nem Maisprung-Ritual im Harz. Dort seien Menschen um und durch ein Feuer ge- hüpft . Sie haben das gemacht, was man sich in der Spätmoderne so unter heidnischer Tradition vorstellt. Kurzum: Sie spielten Theater, hielten ein Fest ab, wie man es als Ursprung des Theaters vermuten mag. Das Merkwürdige dabei: Zig Leute sollen das Geschehen mit ihren Telefonen mitgefi lmt haben, wurden also halb vom Ritual mit- gerissen und hielten es zur anderen Hälft e auf Dauer fest. Sie haben da etwas gewal- tig missverstanden, aber sie sind nicht allein damit. Seit sie es können – also mit ihren Mobilfonen –, versuchen die Menschen, auch so fl üchtige, unverfügbare Erlebnisse wie Theater und Konzerte für die Ewigkeit einzufangen. Sie sollen verfügbar gemacht werden. Natürlich funktioniert das nicht, wie man aus dem Theaterkontext weiß. Eine fi lmisch dokumentierte Performance ist eben der Film einer Performance, aber nicht sie selbst. Und er kann das Erlebnis, einer solchen beizuwohnen, auch nicht REzENSION »Mafi a Kids«: Figurentheater à la Film noir Mein Block H auptsache ballern! Auf Drogen und Knarren fahren diese Kids ab. Die Jungs um Niko machen auf dicke Hose und kesse Lippe, dabei sind sie noch Backfi sche. Das macht die Clique aber nicht harmlos, wie in 70 treibenden Minuten zu erleben ist. Im Gegenteil: »Mafi a Kids« kommt ohne Happy End daher. Der in Leipzig wohlbekannte Figu- renspieler Dirk Baum hat den Thriller für Jugendliche am Theater der Jungen Welt inszeniert. Entstanden ist ein vom Film noir inspiriertes Maskentheater. Kontrastreich und wie in Filmschnitten wechseln die Szenen ineinander über. Der ästhetische Zugriff ist um Street Credibility bemüht. Zum Glück kommt die »Straßenglaubwür- digkeit« mit typischem Rapperslang und -geste nicht zu gewollt rüber, wirkt oft wie ein leicht ironisches Zitat. Zum Start krakelt ein Spieler mit einem Marker Graffi ti auf die Spielfl äche. Lässig bis tödlich: Es fallen nicht nur die Masken 60 KREUZER 0619 vermitteln. Da kann das Cineplex Oper im Kino zeigen, das reicht nicht ans echte Ereignis in London heran. Die angebliche Verfügbarkeit von allem ist eine Pest. Im Berufsalltag soll man stets und ständig erreichbar, also verfügbar sein. Das setzt sich als sozialer Druck auf Kanälen wie Facebook, Whatsapp und Ins- tagram fort: »Warum antwortest du nicht?« Wir leben in einer Zeit, in der Verfügbar- keit das heilige Ideal ist. Der Glaube an die Überlegenheit des binären Computercodes, den Deus ex machina, bestimmt das Zeital- ter. Gott als Leerstelle ist durch das ebenso leere Wort Information ersetzt worden. Diese angebliche Verfügbarkeit gau- kelt uns vor, dass alle Probleme schnell zu lösen sind. Das verführt zu einer Kurzfris- tigkeit im Denken. Langfristige Pläne gibt es in der Politik auch darum nicht mehr. Aus diesem Grund können sich viele Men- schen Weltlagen wie den Klimawandel nicht vorstellen. Auf individueller Ebene immerhin kann Abhilfe darin bestehen, sich des Unverfügbaren bewusst zu werden. Wenn es regnet, ist es nicht zu ändern – seien wir froh für die unter Dürre darbende Natur. Genießen wir im Theater jeden Moment, denn wir werden ihn nie wieder so erle- ben können. Aber hoff entlich noch andere Momente. Und wenn Leute im Harz oder anderswo um und durch ein Feuer hüpfen, seis drum. Dann freu ich mich mit ihnen. Ich lasse die Kamera aus, steck mir eine an und bin froh, Tabak stets verfügbar zu haben. TOBIAS PRÜWER Dann werden die dicken Stift e zu Spielfi - guren für einen Prolog. Fotos von Platten- bauten werden an die hintere Wand proji- ziert: mein Block. Als schließlich die ganze Gang auft ritt, kommen Masken ins Spiel. Die zwei Darstellenden (Nora-Lee Sanwald und Moritz Ceste) setzen sich wechselnd Mas- ken auf, ziehen Kapuzen über die Köpfe und schaff en mit jeweils anderem Habitus und Sprechweise verschiedene Typen. Wer- den sie nicht benötigt, ruhen die Masken auf in den Boden gesteckten Stäben. Sie können weggedreht oder sichtbar gemacht werden. Immer wieder neu lassen sich die Stäbe platzieren. Das fl exible Bühnenbild ermöglicht so ein abwechslungsreiches Spiel, das das Duo ausgiebig auskostet. Beatlastige Musik besorgt ansehnliche Tanz- einlagen, in denen besonders Nora-Lee Sanwald zu Höchstform inklusive Break- dance-Einlagen aufl äuft . Das hat Drive, und wenn Sanwald am verstörenden Ende plötz- lich im roten Kleid erscheint, macht sie im Kontrast zur Jogginghosenwelt eine beson- ders gute Figur. Als Cliffh anger steht sie am Bühnenrand, den Blick fest entschlossen. Fortsetzung folgt. TOBIAS PRÜWER ■ »Mafi a Kids«: 6.6., 19.30 Uhr, 7.6., 11 Uhr, TdJW