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INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS kreuzer auf zwei Seiten TIPPS DES MONATS 6 Zwölf für 31 KREUZFAHRT 8 Pointen des Lebens: Große Fleischergasse/Barfußgäßchen 9 Die Post ist da: Sie an uns & wir an Sie 10 Neue Ideen für die City: Wie Leipzig von den Problemen kleinerer Städte lernen kann 11 »Bündnisse bilden«: Interview mit Tammo Wende vom Verein Rosalinde STADTPOLITIK 12 Episoden aus dem Stadtrat: Querden- ken, Wohnungslose, Kolonialgeschichte TITEL 14 The city never sleeps at night: Leip- zig ist dank seiner unzähligen Lichter auch bei Nacht schön. Obwohl – Wild- tiere hätten dazu wahrscheinlich eine andere Meinung. Besonders für Insekten ist Lichtverschmutzung ein tödliches Problem. Das will der Leipziger Licht- masterplan lösen – kann er es? MAGAZIN 22 Mit Empathie und Skepsis: Ein Nach- ruf auf Cornelius Weiss, erster demo- kratisch gewählter Rektor der Uni Leipzig 23 Der Härtefall: Wie Corona der Kul- tur- und Veranstaltungsbranche zusetzt 24 Interview des Monats: Sandra Strauß, Produzentin der Agentur »Glücklicher Montag« 27 Abocoupon 28 Fünf Gründe … warum 2020 nicht kom- plett scheiße war | Drei Kurzmeldungen 29 Kaufrausch: Der Englandladen sagt Goodbye 30 Fitzcarraldo: Folge zwei der Comicserie von Marcel Raabe und Phillip Janta 4 KREUZER 1220 F O T O : I C H R S T O P H B U S S E F O T O : I I C H R S T A N E G U N D L A C H 22 Nachruf Brückenbauer mit Empathie und gesunder Skepsis: Cornelius Weiss ge- staltete als Rektor die Jahre nach der Wende an der Uni Leipzig. Für die SPD saß er spä- ter im Sächsischen Landtag und diesem als Alterspräsident vor. Ende Oktober starb er. 24 Zoom an Sandra Strauß leitet die Leip- ziger Agentur »Glücklicher Montag«, bei der auch Comickünstler Schwarwel arbei- tet. Wir sprachen mit ihr über Feminismus, soziales Engagement und ihr Buch über das Leben mit psychischen Belastungen. F O T O : J Ö R G L Ö F F L E R 40 Ton aus Corona ist, wenn Konzerthal- len leer und still bleiben, wenn Musikerin- nen und Musiker nicht auftreten können. Wie sich diese Berufsgruppe zwischen Hartz IV und »Novemberhilfen« durch das schwierige Jahr 2020 hangelt. F O T O : M A R C U S K O R Z E R 62 Ofen aus Corona ist auch, wenn Stammgäste vorm Lokal stehen und nicht reindürfen. Die Leipziger Gastro-Szene ver- sucht, mit Gerichten zum Abholen, Kultur zum Streamen und Kontaktpflege über den Winter zu kommen. I L L U S T R A T O N I : H A N N E S H R C H E I 38 Zukunft aus Der Sampler »Too much future« lässt die Gründerjahre des DDR- Punks aufleben. Zwei Protagonisten von damals haben dafür Dokumente zusam- mengesucht: 38 Songs sowie ein Begleit- band mit Fotos und Texten führen back to the roots. 70 Baum an Man liebt es, hasst es, und ei- gentlich ist es jedes Jahr das Gleiche: Weih- nachten. Sogar dieses Jahr, wo doch alles anders ist. Wir laden in unserem Spezial ein zum Streiten (jawohl!), Schenken (lo- gisch!) und Träumen (muss sein!).

TIPPS DES MONATS FILM Kurzfilmtag Wie in jedem Jahr wird auch 2020 der kür- zeste Tag des Jahres zum Kurzfilmtag er- nannt. Auch in Leipzig sollen Kurzfilmrol- len an vielen Orten zu sehen sein. Derzeit plant etwa die Villa eine Zusammenstel- lung von 25 Filmen und das UT peilt gleich einen ganzen Monat mit »Shorts Attacks« an. Was es wann wo zu sehen gibt, steht zeitnah auf www.kurzfilmtag.com ■ voraussichtlich 21.12., Die Villa, UT Connewitz etc. FILM Dezemberkino Es ist Mitte November und die Kinos sind geschlossen. Aktuell ist nicht absehbar, wann und unter welchen Auflagen sie wieder den Betrieb aufnehmen. Da sich verständlicherweise keines der Leipziger Kinos auf ein Dezemberprogramm festle- gen will, finden Sie in diesem kreuzer wie- der Tipps fürs Heimkino. Wenn die Kinos wieder öffnen, gibt es die aktuellen Emp- fehlungen der Redaktion als Onlinetipps obendrauf. Wir drücken die Daumen, dass es Highlights wie »Falling«, »The Nest« und »Platzspitzbaby« doch noch in die Kinos schaffen, und informieren rechtzeitig auf kreuzer-leipzig.de. ■ voraussichtlich ab 1.12., Passage-Kinos, Regina-Palast etc. F O T O . A L E X K L C H I F O T O : CLUBBING Solisampler Nr. 2 S E R G E Y S V U S H K N I I Man kennt das noch von früher aus dem Kindergarten: Wir legen uns alle auf den Boden, schließen die Augen und stellen uns vor, dass wir eine schöne Reise machen. Der Leipziger Off-Location- und Kulturpro- jekteverbund VAK hat zu diesem Behufe seinen zweiten Solisampler auf Bandcamp gestellt und präsentiert mit einem bunten Mix aus lokalen Acts und allerlei Gestampfe von chillig bis Geballer eine kontemporäre Werkschau der Leipziger Szene. Mehr dazu auf den Musikseiten. G R A F K I : I M C H A E L M O T Z E K CLUBBING Rave Virtuell Es existieren mittlerweile unterschiedliche Ansätze, um das allseits beliebte, wiewohl nicht so bald wieder stattfindende Rudel- feiern zu lauter Bassmusik im virtuellen Raum zu ermöglichen. Erste Festivals fan- den bereits auf den Servern von Minecraft statt, da gilt es, die Ohren offen zu halten. Als sinnvoll hat sich ebenfalls heraus- gestellt, ein Zoom-Meeting mit Freunden nahtlos ins betreute Trinken samt Bass- musik übergehen zu lassen. MUSIK Kühne, Fiedler, Reinhardt Unter dem schlichten Namen »Drei« ma- chen Vokalistin Almut Kühne, Bassklarinet- tist Heiner Reinhardt und Lothar Fiedler, für die Gitarre und elektronische Mani- pulationen verantwortlich, seit rund zehn Jahren Musik, die irgendwo in der großen Grauzone zwischen Jazz und Neuer Musik stattfindet, Elemente aus Klanginstallation und Theatermusik anklingen lässt, das al- les zu einem wahnwitzigen Soundexplosiv vermischt und auslotet, was man alles mit den Instrumenten tun kann, ohne dass die- se zwingend dazu gedacht sind. ■ 4.12., 20 Uhr, Kulturnhalle F O F O : I J U L A - S O P H E K U N D E I I E S E G A L U D R O C : O T O F MUSIK Weichplast Welche verlässliche Kraft kann einem in diesen von Unsicherheit und Ungewissheit geprägten Tagen Halt geben? Klar, die Rede ist von einer ordentlichen Packung Free Jazz. Die Truppe Weichplast schält aus den üblichen Instrumenten Bass, Drums, Saxo- fon und Stimme durchaus nicht eben üb- liche Klangfarben heraus – anders gesagt, es klingt komplett hirnverbrannt. Wenn schon nicht die Takte, so lassen sie fünf ge- rade sein, schütteln einen kräftig am Kra- gen durch und stellen die Hörenden von den Füßen auf die Köpfe. ■ 3.12., 21 Uhr, Kulturnhalle 6 KREUZER 1220

geachtet. Und natürlich werden die Belange des Natur- schutzes bei unserer Planung mehr betont. Die Qualität des öffentlichen Raums und natürlich auch die Sicher- heitsaspekte hatten wir schon vorher auf dem Schirm. kreuzer: Was verändert sich konkret in der Planung? Mahler: Zum Beispiel wollen wir keine Bodenschein- werfer mehr. Das sind solche, die von unten Bäume an- strahlen. Und Flutlichtstrahler sollen nicht mehr eine ganze Fassade auf einmal anstrahlen. Stattdessen sollen die Öffnungswinkel der Scheinwerfer begrenzt werden, so dass sie nur bestimmte Teile aufhellen. Oder bei der Straßenbeleuchtung: Da werden wir in der Lichtfarbe von 4.000 Kelvin auf 3.000 Kelvin umstei- gen. Das ist dann ein warmweißer Ton, der insek- tenfreundlicher ist – allerdings auch etwas weniger energieeffizient. kreuzer: Und was verändert sich in der Innenstadt? Mahler: In der Innenstadt haben wir zu großen Teilen historische Schinkelleuchten. Die sind schon alle ener- gieeffizient auf LED-Leuchten umgerüstet. Da haben wir Anschlussleistungen von maximal 39 Watt. Aber in der Regel liegen wir bei 21 Watt Anschlussleistung für die Schinkelleuchten. kreuzer: Aber die historisch anmutenden Schinkel- leuchten, nach Karl Friedrich Schinkel benannt, strahlen doch nach oben, oder? Im Masterplan hieß es ja, Straßenlaternen sollen nur noch nach unten leuchten. Mahler: Wir reden da über 2 Watt LED-Licht, um die Dächer der Schinkelleuchten etwas zu erhellen. Der Rest wird dann nach unten abgestrahlt oder zur Seite. Also, ich denke mal, man kann über alles diskutieren. Aber noch mal diese Schinkelleuchten in Frage zu stel- len, das ist natürlich dann eine große Sache. kreuzer: Die kann man also nicht mehr großartig verbessern? Mahler: Da ist alles ausgereizt, es sei denn, es geht auf Kosten der Attraktivität der Innenstadt. Leuchtre- klamen oder ein Schaufenster, das zur Seite weg- strahlt, sind wesentlich problematischer. Da müssten wir eher fragen: Ist die Schaufensterbeleuchtung un- bedingt notwendig? kreuzer: Ist absehbar, wie lange es noch dauert, bis alles dem Masterplan entsprechend umgesetzt ist? Mahler: Das hängt unter anderem davon ab, wie wir fi- nanziell ausgestattet werden, um das dann an den Lichtmasterplan anzupassen. Aber dazu kann ich kei- ne konkrete Aussage treffen. Wir reden da ganz si- cher von zehn Jahren und mehr. Es ist ja Teil der Stra- tegie 2030. So lange werden wir auf alle Fälle noch warten müssen, bis der Lichtmasterplan erfüllt ist. Und man muss davon ausgehen, dass es noch län- ger dauert. TITEL ein inTerview von david MuSchenich »Da ist alles ausgereizt« Ein Telefongespräch mit Sachgebietsleiter Michael Mahler über den Leipziger Lichtmasterplan Als Michael Mahler abhebt, ist die Sonne erst vor einer halben Stunde über Leipzig aufgegangen. Das Licht in der Stadt ist Mahlers Beruf: Er ist Sachge- bietsleiter für den Betrieb der Beleuchtung und Stell- vertreter des Abteilungsleiters für Stadtbeleuchtung im Verkehrs- und Tiefbauamt Leipzig. Daher weiß er wie kaum ein anderer über die rund 50.000 Leuchten in der Stadt Bescheid – und er weiß auch, was sich durch den Lichtmasterplan verändert. kreuzer: Herr Mahler, Sie arbeiten seit gut 40 Jahren bei der Stadtbeleuchtung. Wie wurde Leipzig denn vor der Wende beleuchtet? Michael Mahler: Wir waren schon vor der Wende ziemlich energieeffizient in Leipzig und hatten zu fast hundert Prozent Natriumdampf-Hochdrucklampen. Das ist dieses gelbliche Licht, was wir heute zum Teil noch haben. Für die damalige Zeit war das eine sehr energieeffiziente Lampe. kreuzer: War es heller oder dunkler im Vergleich zu heute? Mahler: An einigen Stellen war es schon dunkler, das ist klar. Wir haben an Stellen nachgerüstet, wo es unbeleuchtet war. Der Täubchenweg ist heute besser ausgeleuchtet oder die Georg-Schwarz-Straße, vom Leutzscher Rathaus bis zur Philipp-Reis-Straße. Aber es gab auch Stellen, an denen es heller war als heute. Das hing damit zusammen, dass wir nicht so eine große Auswahl an Leuchten hatten. Da kam das dann schon mal vor, dass an Standorten, wo eine Leuchte mit gerin- gerer Leistung gereicht hätte, solche montiert wurden, die mehr Leistung hatten, und dann war da eben mehr Licht. Das konnte nicht so gut auf die Belange in den einzelnen Quartieren abgestimmt werden. kreuzer: Das Licht in der Stadt kommt ja nicht nur von der Stadtbeleuchtung. Für welche Bereiche sind Sie denn verantwortlich und für welche nicht? Mahler: Zu unseren Bereichen gehören alle Straßen, für die das Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig die Baulast trägt. Und öffentliche Wege und Plätze. Außerdem die öffentliche Architektur- und Festbeleuchtung. kreuzer: Also auch solche Beleuchtung wie beim Bun- desverwaltungsgericht oder dem Neuen Rathaus? Mahler: Beim Neuen Rathaus ja, aber das Bundesver- waltungsgericht nein. Das strahlen die selbst an, da sind wir nicht für verantwortlich. Ebenso wie das Völkerschlachtdenkmal. Aber das Neue Rathaus, das Universitätsgebäude und einen Großteil der Kir- chen beleuchten wir selbst – zum Beispiel die Rus- sische Gedächtniskirche, die Peterskirche oder die Evangelisch-reformierte Kirche am Tröndlinring. kreuzer: Im Juni 2020 beschloss der Stadtrat den Lichtmasterplan. Welche Auswirkungen hat das für Ihre Arbeit? Mahler: Es wird wesentlich mehr auf die Nachhaltig- keit und den schonenden Umgang mit Ressourcen 20 KREUZER 1220

FILM REZENSIONEN 1 2 3 4 1 Für Sama An die Menschlichkeit GB/SYR/USA 2019, Dok, 100 min, Filmperlen, auf DVD erhältlich, R: Waad al-Kateab, Edward Watts Die Kamera zeigt ein kaum einjähriges Mäd- chen, das nicht reagiert, wenn aus nächster Nähe Bombendetonationen zu hören sind – sie ist an dieses Geräusch gewöhnt. Dieses Mädchen ist Sama. Sie und die anderen Kin- der harren mit ihren Familien in Ostaleppo aus, während über ihren Köpfen ein Krieg tobt, der keinerlei Rücksicht auf die Zivilbe- völkerung nimmt. Regisseurin Waad al-Ka- teab hat all diese Erlebnisse mit ihrer Kame- ra festgehalten: den Schrecken des Krieges, aber eben auch die hoffnungsvollen Momen- te, die Freude der Menschen, die füreinan- der da sind und weder aufgeben können noch wollen. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Arzt Hamza, lebte Waad al-Kateab in einem selbst eingerichteten Krankenhaus in Ostaleppo, später wird es die letzte Einrich- tung dieser Art sein, die nicht komplett zer- stört wurde. Als ihre Tochter Sama geboren wird, schwanken sie zwischen der Verant- wortung für die Menschen vor Ort und für ihre eigene kleine Familie. Die emotionalen und teils drastischen Bilder gingen um die Welt. »Für Sama« wurde mit dem Europäi- schen Filmpreis ausgezeichnet und erhielt eine Oscar-Nominierung. Hinsehen ist nicht immer leicht, aber der Film macht deutlich, dass Wegsehen niemals eine Lösung ist. HANNE BIERMANN 2 Harriet Freiheitskämpferin USA 2019, 121 min, Universal, auf DVD und Blu-ray erhält- lich, R: Kasi Lemmons, D: Cynthia Erivo, Leslie Odom Jr. 1849 flüchtet die Sklavin Minty (später: Harriet Tubman) von einer Südstaaten- Plantage in den Norden. In Pennsylvania schließt sie sich der Underground Railroad an, einem geheimen Netzwerk, das entflohene Sklaven auf dem Weg in die Freiheit unterstützt. Unter dem Decknamen »Moses« kehrt Minty in den folgenden Jahren immer wieder in den Süden zurück, um insgesamt über 300 Menschen zu befreien. Freiheit oder Tod – das war das erklärte Motto von Harriet Tubman, einer der spannendsten Schlüsselfiguren des afroamerikanischen Freiheitskampfes. Ihre unglaubliche Geschichte passt aktuell sehr gut in den leider immer noch notwendigen und wird #Blacklivesmatter-Diskurs von Kasi Lemmons (»Black Nativity«) mitreißend erzählt – wenn auch etwas altmodisch inszeniert, vor allem, wenn sie ihre zutiefst gläubige Protagonistin in manchen Momenten wie eine Heiligen- Ikone aus Bibelschinken wie »Die zehn Gebote« in Szene setzt. Dank der famosen Kraft und Natürlichkeit von Cynthia Erivo (»Bad Times At The El Royale«) stört das bisschen Staub am Saum der Heldin allerdings nicht wirklich. Für ihre Performance (und den von ihr zum Soundtrack beigesteuerten Song »Stand up«) wurde die Britin in diesem Jahr mit einer Oscar-Nominierung bedacht. KARIN JIRSAK 3 Monos Herr der Fliegen KOL/ARG/NL/D/SWE/UR/USA/CH/DK/F 2019, 102 min, DCM, auf DVD und Blu-ray erhältlich, R: Alejandro Lande, D: Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero Auf einem entlegenen Plateau, irgendwo in den kolumbianischen Bergen, trainiert eine Gruppe von Jugendlichen, die sich selbst »Monos« nennen, für den paramilitärischen Einsatz. In der menschenleeren Umgebung entwickeln sich Hierarchien und Macht- kämpfe. Eine amerikanische Ärztin dient als Geisel. Als die Situation ernst wird, ist die Gruppe gezwungen, sich tief in den Dschungel zurückzuziehen. Das Gefüge droht auseinanderzubrechen. Archaisch und wild sind die Riten, die von den Jugendlichen exerziert werden. Sie robben durch den Schlamm, tanzen um das Feuer. Vollkommen auf sich allein gestellt, werden ihre ureigenen Triebe erweckt. Mit einer bemerkenswerten Gruppe junger Darsteller hat der brasilianische Regisseur Alejandro Landes ein filmisches Experi- ment in der entlegenen Wildnis des Chingaza Nationalparks gewagt. Motive von »Apocalypse Now« und William Goldings »Herr der Fliegen« vermischen sich zu einem Fiebertraum. Das Ergebnis ist berauschend, mitreißend und in großartige Bilder gefasst. Dafür gab es zahlreiche Preise bei Filmfestivals, unter anderem in Sundance und San Sebastián. Das beeindruckendste Kinoerlebnis des Jahres. LARS TuNçAy 4 Weathering With You Alle Wetter J/CHN 2019, Anime, 108 min, Leonine, auf DVD und Blu-ray erhältlich, R: Makoto Shinkai Mit »Your Name« schuf Makoto Shinkai vor vier Jahren den bis dahin erfolgreichsten Anime aller Zeiten und auch seine früheren Filme wie »The Place Promised in Our Early Days« und »Children Who Chase Lost Voices« gehören zu den besten des japanischen Trickfilmgenres. Das neue Werk des Regisseurs legt nun hinsichtlich visueller Qualitäten noch einmal eine Schippe drauf und begeistert mit prächtigen, detailverliebten Bildern. In puncto Story- und Charakterentwicklung kann es allerdings nicht ganz mit den poetischeren Vorgängern mithalten, zumal die Umweltschutzprämisse, die Shinkai im Sinn hat, teilweise etwas unausgegoren daherkommt. Die Handlung dreht sich um den 16-jährigen Ausreißer Hodaka, der in Tokio die etwa gleichaltrige Hina und ihren kleinen Bruder Nagisa kennenlernt. Das Mädchen besitzt die wundersame Fähigkeit, die Dauerregenwolken über der Stadt aufzubrechen und die Sonne scheinen zu lassen, was sie und Hodaka bald für ein einträgliches Geschäftsmodell ausnutzen. Doch Probleme tauchen nicht nur am Horizont auf, als sich zeigt, dass Hina einen hohen Preis zahlen muss, wenn sie die Metropole vor dem Klimakollaps bewahren will. PETER HOCH 5 What You Gonna Do When the World’s on Fire? Faust in der Luft IT/F/USA 2019, Dok, 118 min, absolut Medien, auf DVD erhältlich, R: Roberto Minervini Manchmal ist es gut, Pläne über den Haufen zu werfen. Der italienische Regisseur Rober- to Minervini etwa flog 2017 nach Louisiana, um dort eine Dokumentation über die Mu- sik der 1930er Jahre zu drehen. Doch als er sah, wie hart das Leben der afroamerikani- schen Bevölkerung vielerorts war, verwarf er seinen ursprünglichen Plan. »What You Gonna Do When the World‘s on Fire?« be- gleitet Mitglieder schwarzer Communities über mehrere Monate hinweg. Dabei kommt Minervini seinen Protagonisten unglaublich nah. Meist filmt er sie in Close-ups, wovon 34 KREUZER 1220