Abbas Khider

»Flüchtlingslager sind der langweiligste Ort der Welt. Ich zähle Sandkörner, bis mir vielleicht irgendein Traumland Asyl gewährt.« Um der furchtbaren Langeweile zu entgehen, greift der Erzähler zum Schreibutensil und beginnt einen als »wahre Geschichte« ausgegebenen Text. In der Ich-Perspektive des Jungen Mahdi Hamama wird ein Leben im Irak skizziert. Als Kind noch glücklich behütet, war er acht Jahre alt, als der Iran-Irak-Krieg begann. Er verliert den Vater an der Front, mit 16 dann die Mutter, die an Krebs stirbt. Und als er seinen Schulabschluss mit Freunden feiern will, gerät er in eine Geheimdienstaktion, wird für einen Politaktivisten gehalten und muss zwei Jahre Kerkerhaft erleiden.Es ist ganz und gar keine schöne Zeit, von der Mahdi berichtet. Die Sequenzen von Qualen in Saddams Folterknast verflicht er mit Episoden aus seinem früheren Leben, die mal fröhlich, meist aber auch mindestens mit Melancholie versetzt sind. Irritierend wirkt hier die immer gleiche Sprache, egal ob er nun Dialoge aus der Kindheit oder Späteres schildert. Den hölzernen Eindruck verstärken die zuweilen platten Vergleiche und die plumpe Bildlichkeit. Wenn der Gefolterte nach Schlägen auch noch mittels Strom malträtiert wird, heißt es etwa: »Als hätte mich ein Blitz getroffen. Ich zitterte wie ein Palmenblatt im Wüstensturm«. Das hätte auch Karl May schreiben können, als er »Von Bagdad nach Stambul« unterwegs war.Nicht Protokoll, nicht Bericht, nicht Reportage: Ein Hauch von Schulaufsatz durchzieht das Bändchen und zerstört dessen inhaltliche Schärfe, die Unerhörtheit. Vielleicht, so lässt sich der lapidare Ton positiv wenden, deutet sich damit an, dass Folter und Barbarei eben nicht der Weltausnahmezustand sind und Menschen auf der Flucht eben wirkliche Hilfe brauchen: »Der Sand wird mir nicht ausgehen. Es gibt Tausende hier, die darauf warten.« Tobias Prüwer