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Audio88 & Yassin

Audio88 & Yassin

»Glaub mir / dieses ganze Album ist ein Kompromiss / aus ›eigentlich gibts Wichtigeres‹ und was für ein Schmock du bist«: Da hat Yassin in einer Zeile schön auf den Punkt gebracht, was »Todesliste« inhaltlich ausmacht. Wobei er es mit der Bezeichnung »Kompromiss« definitiv unter Wert verkauft. Zum Beispiel klingt »Lauf« so kompromisslos wie wenig anderes in ihrer Diskografie: Soundtechnisch schließen die Underground-Lieblinge endgültig zur A-Riege auf. Die Beat gewordene Abrissbirne, düster, dissonant, mit einem Bass, der Beton sprengt, hat Bazzazian produziert, der vor allem für seine Arbeit mit Haftbefehl bekannt ist. Darauf geht es dann in der Tat um Wichtiges. Audio88 schießt wie gewohnt lyrisch hochpräzise gegen den rechtsradikalen Zeitgeist: »Gute Laune, Partykeller, Mettigel und Terrorzelle / Sportlerheim und Schützenfest und Chemtrails als Geschäftsmodelle / Fahne hoch im Schrebergarten, Luger unterm Ledermantel / Thema Menschenrechte wird bei Markus Lanz grad neu verhandelt.« Oft zynisch (»Jesus war ein weißer Mann und starb für mich den Heldentod / und nicht für hundert Wilde auf ’ner Kreuzfahrt in ’nem Rettungsboot«), in Yassins Fall zunehmend fatalistisch (»Die Welt geht nicht unter, nur weil es uns bald nicht mehr gibt«), stellen sie sich dem Schwachsinn der Menschheit, ohne zu behaupten, ein Mittel dagegen zu wissen. Als Ventil dient ihnen die höchst amüsant vorgetragene Verachtung für das Gros ihrer Berufsgenossen. Und einer Feststellung wie »Rap ist Arbeit, aber wir gehen trotzdem hin / irgendwer muss es ja machen, wenn die Kollegen Trottel sind« ist auch einfach wenig hinzuzufügen. Musikalisch entfernen sich Audio88 und Yassin in konsequenter Weiterentwicklung zunehmend von ihren Wurzeln im klassischen Boom-Bap. Auch Yassins Soloalbumausflug »Y« in eine Soundwelt, in der Trap und Indiepop ziemlich gut harmonieren, hat hier definitiv Früchte getragen. So hochwertig und vielseitig klangen sie noch nie. Textlich bilden sie mittlerweile eine eigene Liga: »Todesliste« hat nicht mehr den rohen Charme der frühen Alben, ist aber ihr bislang bestes. Kay Schier


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