Bizet/Schtschedrin

Der Name ist möglicherweise weniger bekannt als das Ensemble: Michael Sanderlings »Deutsche Streicherphilharmonie« firmierte nämlich bis 1990 als »Rundfunk-Musikschulorchester« - jenes 1973 gegründete Elite-Ensemble, in dem die besten Musikschüler der DDR spielten. Doch die Geschichte des Orchesters war 1990 nicht zu Ende. Zunächst als »Deutsches Musikschulorchester« und später unter ganz neuem Namen machte die Truppe, in der auch zahlreiche Leipziger spielen, dem eher westlich orientierten Bundesjugendsinfonieorchester auf hohem Niveau Konkurrenz - dass die Musiker zwischen 11 und 19 Jahren jung sind, hört man auf der jüngsten CD, die das hiesige Label Genuin in Koproduktion mit Deutschlandradio Kultur auf den Markt brachte, jedenfalls nicht.So außergewöhnlich, wie sich das Ensemble präsentiert, so überraschend ist auch die Werkzusammenstellung. George Bizets Musik zur Oper »Carmen« steht im Mittelpunkt - doch nicht die vom Komponisten selbst zusammengestellte Suite, sondern eine Satzfolge, die der Russe Rodion Schtschedrin arrangierte. Die ist deutlich vielfältiger als die bekannte Kompilation und durchschreitet nahezu die gesamte Handlung von Bizets Oper. Für das leistungsfähige Jugendorchester ist das sinnlich-üppige Stück wohl gerade das Richtige auf den Notenpulten: Michael Sanderling jedenfalls weiß mit den Pfunden seines Ensembles zu wuchern und lässt die Streicher in allen Lagen immer wieder brillieren.Ergänzt wird die im Januar 2007 produzierte Aufnahme der Carmen-Suite durch zwei ältere Einspielungen, die zeigen, dass die klangvolle Schtschedrin-Produktion keine kunstvolle Eintagsfliege war: Peter Tschaikowskis Andante cantabile ist, obwohl das Stück keine kompositorische Meisterleistung darstellt, in den Händen von Sanderlings jungem Ensemble ein kleines Juwel. Und mit Paul Hindemiths Trauermusik zeigt die Deutsche Streicherphilharmonie, dass sie auch für gewagtere Klänge die passende Umsetzung findet. Hagen Kunze