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Comics: Diverse

Comics: Diverse

Prinz Eisenherz war gestern - Derzeit sind wieder historische Comics angesagt. Eine Auswahl

Comics: Diverse. 72 S.

Geschichte, Geschichte, Geschichte - der derzeitige Comic-Markt hat sich auf historische Stoffe verlegt. Zwar ist das Fantastische nicht tot, und auch die Zahl der »Nachwuchsautoren«, die sich wie in der Literatur in Selbstbespiegelungen ergehen, statt Substantielles zu erzählen, nimmt zu. Doch viele Alben sind historische Erzählungen oder wenigstens in der Vergangenheit angesiedelt. Dass das nichts Schlechtes bedeuten muss, zeigt diese Auswahl.»Der schwarze Mann« geht als Geist und Schatten im Paris des 19. Jahrhunderts um. Mehr als ein Kinderschreck, bringt er den Menschen wahlweise Wahrheit oder Wahnsinn. Im klassischen franko-belgischen Look und in leicht gedämpften Farben gehalten, ist diese Mystery-Story mit einer dezenten Patina überzogen. Die Erzählstränge sind gut miteinander verflochten, und die leicht gewundene Handlung mit einem überraschenden Ende könnte selbst einem Abenteuerroman des Fin de Siècle entnommen sein.Furios in Sprache und Bildlichkeit versetzt die Trilogie »Dietrich von Bern« ins pralle Leben der mittelalterlichen Legende um den berühmten Sagenhelden. Mit Edda-Zitaten gespickt, zieht Dietrichs Leben in monumentalen Bildern am Betrachterauge vorbei. Erinnern die Zeichnungen von Rafael Méndez überdeutlich an den »Prinz Eisenherz«, so lassen sie dessen Statik gottlob vermissen. Die realistische, mit Verve versehene Linienführung zeichnet sich durch eine Feinheit aus, die fast an Radierungen erinnert, und die bewusste Schwarz-Weiß-Kontrastierung führt zur optischen Zuspitzung des Geschehens vor einem zumeist freien Hintergrund - die Gefahr der Überladung ist gebannt. In bester »Mosaik«-Manier eingeschobene kulturhistorische Abrisse runden mit Bezügen zum realen Hochmittelalter das Opus Magnum ab.Mit »Haarmann« liegt ein biografisches Werk über den gleichnamigen Serienmörder vor, dem 24 Menschen zum Opfer fielen. In ruhigen und leicht verwischten Bleistiftzeichnungen zeigt sich das Hannover der Jahre 1924/25 als Ort von Grau und Grauen. »Warte nur ein Weilchen ...« - Fritz Haarmanns Blutrausch erscheint dabei nicht explizit auf den Bildern, sondern bricht sich zwischen den Paneelen Bahn. Vielmehr konzentriert sich das Album auf den Skandal, dass er als Polizeispitzel arbeitete, und auf das kleinkriminelle Milieu, in dem nicht wenige mit Haarmann Geschäfte machten, von seinem Mordtreiben aber niemand auch nur etwas bemerkt haben wollte.Expressionistischer im Stil, aber nicht weniger biografisch finden sich die letzten Stunden des Country-Musikers Hank Williams in der Silvesternacht 1952 gekleidet. Catfish und Cadillac: Den auf der Rückbank eines Autos Dahinscheidenden suchen die Geister seiner Vergangenheit heim, es verabschieden ihn Figuren seines wechselvollen Daseins für die letzte Reise. Auf Augenblicke verdichtet wird ein ganzes Leben erzählt. In Form und Farbe gewinnt dieser wüst-rasante Road-Comic leicht abstrakte Züge, in dem Williams nicht nur metaphorisch seinem Schöpfer vor die Augen tritt.Die »Insel der Männer« führt in die Zeit des italienischen Faschismus. Auf einem Eiland wurden seit 1938 homosexuelle Männer wegen ihrer »falschen« Lebensweise interniert. Sie wurden als »Politische« geführt, weil den Behörden der Haftgrund zu anstößig war. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des 75-jährigen Antonio, der auf jener Insel einsaß. Ein Kamerateam will einen Dokumentarfilm mit ihm drehen. Das sorgt nicht nur für einen interessanten Erzählfluss, sondern macht auch die Auseinandersetzung mit Fragen der Erinnerungskultur möglich, mit dem Ringen des Zeitzeugen, erneut am Tabu zu rühren. Und doch berichtet Antonio vom Leid der Internierten, von den Kämpfen untereinander, aber auch von ausgelassenen Momenten und heimlichen Liebeleien. Der Strich der in Sepia getünchten Zeichnungen ist auf Wesentliches beschränkt und von leicht krakeligem Schwung, der auf seine Weise Verschüttetes hervorholt. Das unterscheidet das Album von den anderen historischen Comics: Es ist nicht nur auf Vergangenes orientiert, sondern gemahnt zumindest indirekt auch an gegenwärtige Repression und Verfolgung.Alles in allem: So empfehlenswert jedes der erwähnten Alben auch ist, sie mögen bitte keinen Retrotrend im Comic einläuten. In der Geschichtskiste zu kramen, ist schön und gut, von Fiktion und Utopie darf es künftig aber wieder ein bisschen mehr sein. Tobias Prüwer


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