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Crysis

Crysis

Prachtstrotzende Doof-Suppe

»Crysis« ist ja ganz hübsch, spektakuläre Grafik - suuuper! Aber was bringt das dem Spieler? Er spielt ein Spiel, das er schon tausendmal gespielt hat, es sieht nur alles besser aus. Dieses Konzept ist, gerade im Genre der Ego-Shooter, ganz und gar Alte Schule. Bis vor einigen Jahren ging es bei neuen Ballerspielen immer nur um Bumpmaps, Shader, Polygone und wie das ganze Zeug heißt. Spätestens seit der »Grand Theft Auto«-Reihe schien diese dunkle Ära vorbei zu sein. So gesehen ist »Crysis« und der Hype darum ein Rückschritt. Aber ein konsequenter. Es ist ein wenig traurig, dass »Crysis« das Beste ist, was das Genre derzeit zu bieten hat. Die beiden Hände, die man im Spiel steuert, gehören Jake »Nomad« Dunn, einem völlig charakterlosen US-Elite-Soldaten (gähn). Im Jahr 2020 wird er mit seiner Einheit auf eine paradiesische Tropeninsel geschickt, um ein entführtes Archäologen-Team zu befreien. Die Forscher haben, wie sich herausstellt, uralte außerirdische Artefakte entdeckt (doppelgähn). Auch die total böse nordkoreanische Volksarmee ist auf der Insel gelandet. Sie hat natürlich größtes Interesse an der Entdeckung. Klar, dass ihre Soldaten Kanonenfutter für Nomad sind. Ganz besonders cool ist dabei der sogenannte Nanosuit, ein Spezialanzug, den die Elite-Soldaten tragen. Er ermöglicht entweder große Kraft, schnelle Bewegung, starke Panzerung oder kurzzeitige Unsichtbarkeit. So geht das Spiel dann hin und her. Ballerballerballer: hier eine Basis gestürmt, da ein paar Flugabwehrstellungen in die Luft gejagt und einen Kampfhubschrauber vom Himmel geholt. Im späteren Spielverlauf greifen dann, wer hätte das gedacht, die Außerirdischen an und Nomads Mission wird die zur Rettung der Welt (schnarch).Das Spiel ist so was wie eine Tech-Demo: Schaut mal, was für eine schöne Grafik wir entwickelt haben: Moment, wir packen noch ein bisschen Spiel hinzu - fertig. Der Gedanke der Tech-Demo ist gar nicht mal so abwegig. Die hessische Entwicklerfirma Crytek erwirtschaftet einen Teil ihres Umsatzes damit, die eigentlich für Spiele entwickelte Grafik-Technologie Konstrukteuren und Architekten für die superrealistische Modellierung ihrer Pläne und Entwürfe anzubieten. Die ganze Pracht werden auch nur wenige Spieler genießen können. Die Hardware-Anforderungen sind so irrwitzig hoch, dass sie nur auf 2.000-?-Rechnern vollständig zur Geltung kommen kann.Viel interessanter als die Übergrafik sind andere Spielelemente, zum Beispiel die taktischen Möglichkeiten des Nanosuit, aber auch die Physik. In »Crysis« ist es möglich, nahezu alles kurz und klein zu schießen. Das gibt es zwar in Ansätzen auch in anderen Spielen, bisher aber noch nie so umfassend. Wenn bei einem Feuergefecht im Dschungel eine Palme nach der anderen umknickt und Wellblechhütten im Kugelhagel zusammenstürzen, dann ist das zwar ein stupides Vergnügen, dafür aber ganz großes Kino.Nun ja, ein Spiel braucht nicht unbedingt eine gute Handlung, um zu funktionieren. Das gilt für alle Spiele, nicht nur für die am Computer. »Crysis« ist ganz hervorragend dazu geeignet, nach einem harten Arbeitstag für ein paar Stunden das Gehirn auszuschalten, ganz in Ruhe durch den Dschungel zu streifen, sich anzuschleichen, spannende Gefechte und spektakuläre Effekte zu erleben. Klar - das Hirn sollte aus bleiben, solange »Crysis« an ist. Aber man kann das Licht der Weisheit ja wieder anknipsen, wenn der Rechner runtergefahren ist. Andreas Raabe


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