anzeige
anzeige
Dietmar Krug: Von der Buntheit der Krähen

Dietmar Krug: Von der Buntheit der Krähen

Dietmar Krug: Von der Buntheit der Krähen. 402 S.

Karl und Thomas sind um die Fünfzig, als sie unabhängig voneinander in das Dorf heimkehren, in dem sie einst aufwuchsen. Beide waren damals Außenseiter und sie sind es heute noch: Während Karl den alten Hof der Großeltern wieder bezieht und nun seine Transsexualität offen zu zeigen wagt, treibt Musikkritiker Thomas haltlos durch sein Leben, allen ein Fremder, auch sich selbst. Die Dorfbewohner verhalten sich ihnen gegenüber misstrauisch bis feindselig. Doch es gibt Ausnahmen: zwei junge Mädchen und Thomas’ Jugendliebe Karin suchen den Kontakt. Und auch die beiden Männer finden zu alter Komplizenschaft zurück. Dietmar Krug lässt eine konservative Dorfgemeinschaft auf Lebensentwürfe stoßen, die mit ihrer unfreiwilligen Sperrigkeit aus dem eng gesteckten Rahmen fallen. Er beschreibt die Innenwelten seiner beiden Protagonisten unaufgeregt, spürt sensibel und immer sinnlich ihren Verletzungen nach. Da bleiben einige Kindheitstraumata unausgesprochen, andere finden endlich Gehör. Wunden können sich schließen, Kraft für Neues wächst aus einer sich unerwartet bildenden kleinen Gemeinschaft von Erwachsenen, Kindern und Tieren. Krug zeigt das Außenseitertum nicht heroisch oder selbstgewählt – sondern als Folge äußerer Eingriffe ins Leben, die sich das Individuum nicht ausgesucht hat. Zur schmerzhaften Versehrtheit und der Scham über erlebte Gewalt gesellt sich die Ausgrenzung. Die Charaktere sind glaubwürdig gezeichnet, ungeschönt und doch berührend. Die Figurenzeichnung der engstirnigen Dorfbewohner hätte vielleicht etwas ambivalenter ausfallen können, andererseits beweist die Realität ja oft genug, dass sich mancher lieber an seinem Brett vorm Kopf festhält, als den Blick schweifen zu lassen.  Andrea Kathrin Kraus


Weitere Empfehlungen