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Egon Bondy

Egon Bondy

Ein Denker vor dem Herrn, Ein Buch - zwei Meinungen

Egon Bondy. 180 S.

Lohnende StrapazeDer Philosoph und Dichter Egon Bondy (1930?2007) hieß eigentlich Zbynek Fi?er und war eine sehr böhmische Mischung aus Ernst Bloch und Alexander Solschenizyn. In den 70er Jahren wurden seine Gedichte von den legendären »Plastic People of the Universe« aufgenommen, deren Verhaftung 1976 die berühmte Charta 77 ausgelöst hat. Von da an war Bondy ein Underground-Star.Am liebsten saß er zwischen allen Stühlen. Bondy kritisierte den Turbo-kapitalismus ebenso wie den totalitären Sozialismus, später auch die Demokratie. In den 90er Jahren kam heraus, dass er während seines Studiums als Spitzel der tschechischen Stasi Kommilitonen denunziert hatte. So blieb Bondy auch nach seinem Dissidententum ein Außenseiter.Auf seine alten Tage wurde Egon Bondy, genau wie Solschenizyn, dann ein bisschen reaktionär - und er fand Gefallen an der Tiefe theologischen Denkens. Vielleicht hat er auch nur instinktiv erfasst, mit welcher Geis-teshaltung er im postkommunistischen Atheismus am meisten anecken konnte. Nur sehr oberflächlich betrachtet ist »Hatto« denn auch ein historischer Roman. Das Buch ähnelt eher einem philosophischen Traktat, über weite Strecken besteht er aus Meditationen über die Existenz und das Wesen Gottes. Das Szenario ist apokalyptisch: Die Karolinger haben so gut wie abgedankt, Ungarn und Wikinger bedrohen das Reich; es herrschen Elend und Anarchie. Und der sächsische Mönch Hatto denkt über Gott nach, wandert bis ans Ende der Erde, wird Eremit, kehrt in die Welt zurück - und findet am Schluss seinen Seelenfrieden. Es ist wahr: Bondy verlangt seinen Lesern einiges ab. Aber die Strapaze lohnt sich. »Hatto« konfrontiert uns mit einer Spiritualität, die unendlich fremd wirkt - und gerade deswegen auch fasziniert. Weil Bondy uns spü-ren lässt, wir sehr uns heute diese Dimension des Lebens abgeht. Und zwar längst nicht allein den radikal säkularisierten Gesellschaften der ehemals kommunistischen Staaten. Schön, dass der kleine, aber feine Elfenbein Verlag sich Bondys angenommen hat.Guten RutschEs ist schwer, die Literatur eines Menschen wie Egon Bondy ohne das Schillernde seines Verfassers zu betrachten. Dieser war, als Studenten-Spitzel mit späterem Dissidenten-»Hintergrund«, während der sowjettreu ausgerichteten KPC-Herrschaft Täter und Opfer in einem. Ein Lebens-Wandel, der Menschen, die in klimatisierten Hörsälen sozialisiert worden sind, heutzutage imponieren muss. Wohl deshalb liest man in diesem Buch immer die Parabel mit. Und Hat-to, der Mönch aus dem »klirrenden Winter Nordsachsens«, um den es in dem von Mira Sonnenschein ins Deutsche gebrachten Buch gehen sollte, bringt die Ingredienzien für ein Gleichnis en gros mit: Hatto ist ein Denker vor dem Herrn. Ein Außenseiter. Ein Abenteurer der Erkenntnis. Doch dient die historische Figur dem Autor eher als Schablone, um sein in philosophischen Studien angehäuftes Wissen in eine Form zu gießen. Das alles liest sich sehr gescheit, steckt voller Denkanstöße und Aphorismen und lässt den Leser über das Dasein schlechthin sinnieren. Und Bondys Abhandlungen hätten bestimmt ihr Gutes, wären dazwischen nicht die mehrheitlich misslungenen Versuche, all diese Erörterungen in eine atmosphärische Prosa kleiden zu wollen. Dabei ist die Mönchskutte hervorragend geeignet, Schwachstellen zu verdecken. Doch Bondy will es figurbetont. Ihn verlangt es nach Brokat und Glimmer. Er will brillieren und poetisieren! Das Buch fasst sich gut an, in Leinen und mit Lesebändchen, doch hat es ihm an einem guten Lektor gefehlt. Denn nicht nur der Satz (die als Brief getarnte kursive Bleiwüste) ist über Strecken unleserlich. Es sind auch Formulierungen wie diese: »Süß hörten sich die Schreie der Vögel an [...] Er schloss Augen, Ohren und Kopf [...] Süß klang nun das Kreischen der nistenden Vögel.« Bondy ist ein Wiederholer. Oft stellt er den Begriff über das Bild, verkünstelt jedwede Situation. Kein Sonnenaufgang ist vor ihm sicher. Und auch kein Schneefall. Guten Rutsch! Olaf Schmidt & Ralph Grüneberger


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