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Filo & Eisman

Filo & Eisman

2020

2020

Irgendwann als Kind hat man einmal etwas beigebracht bekommen von wegen Respekt, Mitmenschlichkeit, Empathie, Achtung vor der Umwelt im übertragenen wie wörtlichen Sinn. Mittlerweile ist 2020 und die Kluft zwischen menschlichem Anspruch und Wirklichkeit größer denn je. Wie soll man sich in Letzterer verhalten, wie sich positionieren, wo braucht es das mitfühlende Gespräch, wo den Kampf, und ist der Karren überhaupt noch aus dem Dreck zu stemmen? »2020«, das Debütalbum von Filo & Eisman, dokumentiert das große Ringen mit diesen Fragen. »Hasse ich Menschen – nein / aber Handlungen, die Menschen zeigen« ist einer der Leitfäden ihrer Auseinandersetzung mit der Gesamtscheiße. Die musikalische Untermalung zeigt sich abwechslungsreich, die Beats atmen Oldschool-Attitüde, ohne sich dem soundtechnischen Zeitgeist zu verschließen. Attackiert werden toxische Verhaltensweisen, angeklagt werden Stereotype, doch immer ausgehend vom Menschen als einem Wesen, das aus seinen Fehlern lernen kann. In einem großen lyrischen Rundumschlag werden Umweltzerstörung, Ignoranz, Sexismus, Faschismus und immer wieder obsessiv Marken als Symbol für den Gesamtscheißer Kapitalismus attackiert (»Wachstum ist die Religion / der Glaube hat kein Limit«). Dabei verzichten Filo & Eisman auf stumpfe Parolen; wer ihren Texten folgen will, muss schon aufmerksam zuhören, denn die beiden Rapper machen es sich hörbar nicht leicht mit der Kritik, wissen sie doch zu sehr um ihre eigenen Privilegien und Macken (»Lebt eure Lügen, ich lebe meine / aber Beifall gibt es keinen«). Das ist einerseits grundsympathisch, hin und wieder hätte man sich als Hörer aber etwas weniger vertrackte Selbstreflexion und mehr klare Pointen wie »Ich will, dass deine Karre brennt wie Laternen an St. Martin / singende Kinder stehen auf dem Wrack des Maserati« gewünscht. Das ist aber selbstverständlich Ansichtssache, und für alle, denen das unbestritten größtenteils kreativarme Geprotze in den deutschen Rapcharts berechtigterweise auf den Keks geht, ist »2020« eine Wohltat. Kay Schier


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