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Georg M. Oswald: Unsere Grundrechte

Georg M. Oswald: Unsere Grundrechte

Georg M. Oswald: Unsere Grundrechte. 208 S.

Kein anderer gutbürgerlicher Beruf ist so prädestiniert für Literatur wie der des Juristen. Bernhard Schlink (»Der Vorleser«), Ferdinand von Schirach (»Terror«), Juli Zeh (»Unterleuten«) – sie alle eint der analytische Blick auf Sprache und der Sinn für das, was eine Gesellschaft zusammenhält oder auseinanderbrechen lässt: Gesetze, Moralvorstellungen und die Fallhöhe dazwischen. Seit einem knappen Jahrzehnt gehört auch der Münchner Georg M. Oswald in diese Liga der erfolgreich Belletristik produzierenden Rechtsexperten. Sein Roman »Alles, was zählt« wurde in zehn Sprachen übersetzt, sein Krimi »Unter Feinden« verfilmt, seine Kolumnen druckt die FAZ. Umso erstaunlicher ist es, dass Oswald nun ein Sachbuch vorlegt. Aber Entwarnung: Es ist das Gegenteil von unlesbarem Fachchinesisch. Und es ist eines, das zur richtigen Zeit kommt. Fragen der Ordnung und Sicherheit prägen die aktuelle politische Diskussion, und schnell wird dabei immer wieder der Ruf nach schärferen Gesetzen laut. Aber kennen wir überhaupt die, die wir haben? In »Unsere Grundrechte« klopft Oswald das Fundament unseres Zusammenlebens Stein für Stein, Artikel für Artikel, ab. Ganz nüchtern und ohne ideologische Scheuklappen. Dabei legt er auch verschüttete Zusammenhänge und Versteinerungen frei. Der Religionsunterricht beispielsweise ist ein »Zugeständnis an die Kirchen«, weil ihnen die Bildungshoheit entzogen wurde. Bei etwa viereinhalb Millionen Muslimen in Deutschland ergibt sich aber die Frage, ob nicht auch deren Religionsgemeinschaft per se im Bildungsplan verankert werden muss. Ein anderer Ausgrabungsfund ist das Brief- und Postgeheimnis. Angesichts der digitalen Realität und der asozialen Medien wirkt es gänzlich antiquiert und müsste dringend überholt werden. Unterm Strich aber sind Deutschlands Grundrechte erstaunlich aufgeklärt, demokratiefördernd und gegenwartstauglich. Gerade die »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!«-Schreihälse und »Wir sind das Volk!«-Brüller könnten nach der Lektüre dieses Buches begreifen, was das Grundgesetz ihnen gibt: ein Rechtssystem, durch das implizit der alte Voltaire-Satz mäandert: »Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.« Sofie Schneider


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