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Mark Lehmstedt:

Mark Lehmstedt:

Ein Meilenstein der Mosaikologie - Mit »Die geheime Geschichte der Digedags« arbeitet Mark Lehmstedt ein Stück DDR-Verlagsgeschichte auf

Mark Lehmstedt:. 430 S.

Das »Mosaik« gilt als einzige reine und - da weitgehend unpolitisch - auch beliebteste Comic-Zeitschrift der DDR. Mit ihren drei sympathischen Hauptfiguren, den Digedags, reisten Generationen von DDR-Lesern ab 1955 gedanklich durch Raum und Zeit. Die 1975 auf monatlich 600.000 Exemplare angestiegene Auflage konnte die Nachfrage im 17-Millionen-Einwohner-Staat bei weitem nicht befriedigen. Mit dem überraschenden und unaufgeklärten Verschwinden der Digedags im Jahr 1975 ebbte die Popularität nicht ab, vielmehr spann eine »Mosaikologie« Legenden und Geschichten um das Heft und seinen Schöpfer Johann(es) Hegenbarth alias Hannes Hegen.Der Leipziger Verleger und Literaturwissenschaftler Mark Lehmstedt durchbricht nun erstmals mit methodischem Zugriff den eingeschränkten Blickwinkel der Liebhaberei. Mit seiner Untersuchung »Die geheime Geschichte der Digedags« hat er zugleich ein Stück DDR-Verlagsgeschichte aufgearbeitet. Die am Beispiel des »Mosaik« dargestellte Auseinandersetzung mit dem Genre Comic in der DDR stellt sich hier als Annäherungsprozess zwischen Verlag und »Mosaik«-Redaktion dar, in dem um die neue Kunstform gerungen wurde. Neben den Konflikten zwischen Hegenbarth und dem Verlag Junge Welt legt Lehmstedt persönliche wie kommerzielle Ziele und Strategien aller Akteure frei, analysiert aber auch narrative Strukturen und Kausalitäten im »Mosaik« und macht auf diese Weise die Entwicklung beispielsweise der Ritter-Runkel- oder Amerika-Serie nachvollziehbar.Dass in der DDR, wo Gemeinschaftsleistungen von »Autorenkollektiven« vollbracht wurden, Hegen nach außen als alleiniger Urheber des »Mosaik« auftreten durfte, mutet fast unglaublich an. Es ist erstaunlich, wie es Hegen gelang, in einer verstaatlichten Wirtschaft als Privatunternehmer zu agieren. So entsteht das Bild eines cleveren, aber auch egomanischen, ja tyrannischen Unternehmers, der die Früchte der gemeinsamen Arbeit nicht zu teilen bereit war. Verdienstvoll ist daher auch Lehmstedts Würdigung der bislang namenlosen Mitarbeiter des »Mosaik«, die gemeinsam Figuren, Handlungsstränge und Geschichten entwickelt und so für die hohe Qualität des Comics gesorgt haben. Mit Lehmstedts Arbeit, diesem Meilenstein der »Mosaikologie«, als verlässlicher Grundlage kann sich nun das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig an die Aufarbeitung und Präsentation von Hannes Hegens künstlerischem Nachlass wagen. Dirk Schaal


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