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Michael Roes: Herida Duro

Michael Roes: Herida Duro

Michael Roes: Herida Duro. 584 S.

Drei Erzählstränge bilden in »Herida Duro« drei Geschichten von unterschiedlicher Präsenz: In der einen wächst Herida Duro in einem albanischen Bergdorf auf, geht, als die Diktatur Enver Hoxhas beginnt, nach Tirana und schafft es schließlich, sich nach Rom abzusetzen  – als Tochter sohnlos gebliebener Eltern nennt sie sich dort Marijan und lebt, der Tradition folgend, in der sie erzogen wurde, als Mann. Für sein Privatleben interessiert sich bald nicht mehr die patriarchale Dorfgemeinschaft, sondern der Geheimdienst und dann, nach der Übersiedlung nach Italien, dessen Sittenwächter, die seine Aktfotografien anstößig finden. In der zweiten Geschichte treffen archaische Welten aufeinander. Es herrscht ebenfalls viel Düsternis, die Umwelt ist feindselig, soziale Zwänge geben Notwendigkeiten des Handelns vor, die in brutale Rücksichtslosigkeit münden. Diese beiden Erzählfäden – Marijans Leben und die archaische Welt – scheinen mitsamt den strengen Kodizes der verschiedenen Lebensräume zeitweise enger zueinanderzurücken und miteinander zu kommunizieren. Drittens schließlich wird die Jugend Jesu in das Italien der Erzählzeit transferiert, was mit so ausgezeichneten Ideen ausgestattet ist, dass dieser Teil in erster Linie großes Amüsement bereitet. Der tatsächliche Aufenthalt Marijans in Italien ist allerdings ohne viel Anlass zur Fröhlichkeit und er beobachtet alles, mal wieder, vom Rande aus. Roes erzählt dies mit viel Fantasie, Detailtreue und Sinn fürs Abgründige, macht Traum, Rausch und Realität mit üppigem Vokabular lebendig und bindet alles gekonnt zusammen. So entstehen bleibende Bilder von Albanien und Italien, von Dorf, Hauptstadt und Filmstudio. Leider steuert die Geschichte auf kein Ziel hin und findet kein rechtes Ende. Sicher ist nur: Glück ist hier nicht zu holen.  Franziska Reif


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