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Peter Handke

Peter Handke

Klassik, Rock, Jazz

Peter Handke. 239 S.

Seine musikalische und bilderreiche Prosa sucht im deutschsprachigen Raum ihresgleichen. Aber ist Peter Handke ein Lyriker? Nein, er sei keiner, sagte er im vergangenen Februar zu Ulla Berkéwicz. Gespielte Bescheidenheit, ein Vorwand, um die Frage der Verlegerin nach einer Publikation seiner Gedichte höflich ablehnen zu können. Aber Berkéwicz wäre nicht Berkéwicz, hätte sie in ihrem Drängen nachgelassen. Und siehe: Zum 65. Geburtstag des Suhrkamp-Stars liegt eine Gedichtsammlung vor, die es in sich hat, eine Art Best-of-Album, teilweise selbst neu »gemixt« (wie Handke sagt), teilweise überarbeitet. Handke reloaded. Und er rockt sogar hier und da. Kein Wunder, schließlich gehören Beatles & Stones und andere Massenphänomene der Popkultur zu den prägenden Einflüssen des jungen Handke. »Der Text des rhythm-and-blues« heißt eines seiner Gedichte, »Die japanische Hitparade vom 25. Mai 1968« ein anderes. Dennoch passt der Begriff Popliteratur hier nicht. Dafür klingt der Sound viel zu souverän, außerdem war er schon viel früher da als die Schubladenbeschriftung. Handke hat ein Gespür für Wortwitz, Wortjazz, ebenso für Phrasen, abgewetzte Satzbausteine, und er spielt mit alldem gekonnt. Im tiefsten Grunde seines Dichtens aber ist er ganz klassisch, weil er das Schreiben als Einübung im eigenständigen Sich-ein-Bild-von-der-Welt-Machen versteht. In »Die neuen Erfahrungen« gräbt Handke sogar die Urwurzel von Poesie und Philosophie aus: Beide fangen beim Staunen an. »Einmal / in welchem Jahr? / erwachte ich / zum ersten Mal in einem Raum / und bemerkte zum ersten Mal / daß ich in einem Raum war.« Nichts Wunderbares ohne das Wundern.Handke bringt sich und uns immer wieder bei, Dinge wie zum ersten Mal zu sehen. Da steckt auch das Politische im Poetischen: Sich nicht auf Muster verlassen, sondern selbst urteilen, am besten mittels eines eigenen Stils. Handke ist kein Alt-68er, sondern ein Verfechter der Zwischentöne, kein Idyllenmaler, sondern ein Ideengeber. Und, um die eingangs gestellte Frage endgültig zu beantworten: Ja, er ist ein Lyriker, und zwar ein außerordentlicher! Jonas Jöche


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