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Reinhard Kaiser-Mühlecker

Reinhard Kaiser-Mühlecker

Kein Seelenstriptease in Buenos Aires - Reinhard Kaiser-Mühleckers neuer Roman »Wiedersehen in Fiumicino«

Reinhard Kaiser-Mühlecker. 318 S.

Wer wünscht sich nicht manchmal, die Gedanken des anderen lesen zu können, einfach um dessen Handeln besser zu verstehen? Reinhard Kaiser-Mühlecker gibt in seinem neuen Roman »Wiedersehen in Fiumicino« nun zumindest dem Leser die Chance, Einblick in das Seelenleben von fünf Menschen zu erhalten. Er taucht in das Leben von völlig verschiedenen Personen ein und lässt dabei jede von ihnen zu Wort kommen. So durchlebt der Leser dieselben Situationen mehrfach, jeweils durch die Augen eines anderen. Klingt erst einmal kompliziert, und anfänglich rätselt man immer ein wenig, in wessen Gedankenwelt es einen nun wieder verschlagen hat, doch das verführt auch zu aufmerksamerem Lesen und verleiht der Geschichte Spannung. Reizvoll ist auch die Kulisse des Geschehens: die argentinische Hauptstadt Buenos Aires. Die Luft ist schmutzig, die Abende sind schwül. Dorthin verschlägt es den österreichischen Agrarwissenschaftler Joseph. Ohne seiner Freundin auch nur ein Wort davon zu erzählen, setzt er sich nach Buenos Aires ab, wo er seinen ehemaligen Studienkollegen Hans Kramer trifft, der schon seit zehn Jahren dort lebt. Beide lernen in dieser Zeit jeweils eine Frau kennen. Der eine heiratet, der andere flüchtet. Komplettiert wird die Runde durch einen jungen Arzt aus dem argentinischen Hinterland. Doch wer nun große Gefühle erwartet, der irrt. Bei den Figuren ebenso wie beim Lesen des Buches überwiegt letztlich Gleichgültigkeit. Bei der einmaligen Chance, den Gedanken aller Handelnden zu lauschen, erhofft man sich eigentlich verborgene Sehnsüchte, unausgesprochene Wahrheiten, eben einen unverblümten Seelenstriptease. Dieser aber bleibt aus. Spannend ist der Perspektivwechsel dennoch und zeigt, dass man beim Besuch in den Gedankenwelten anderer wohl immer ein Fremder bleibt. Ellen Fischer


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