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Ssio

Ssio

Messios

Messios

»Scheiß auf Trap, das ist Mittelalterrap«: Ssiawosch Sadat, besser bekannt unter dem Kampfnamen Ssio, hat sich für sein jüngstes Werk »Messios« vier Jahre Zeit gelassen, um im Wesentlichen alles beim Alten zu lassen. Getreu der Maxime »Rap immer wieder mit derselben Thematik« zu machen, geht es um das Paralleluniversum Bonn-Tannenbusch und die heilige thematische Trias Blunts, Beleidigungen und Bordellbesuche. Hat er sich schon auf den vorangegangenen Werken als Kulturkritiker hervorgetan, schlagen hier die Schellen gegen den Zeitgeist im Hiphop noch öfter ein, denn: »Rapper sind Witzfiguren / machen Instastory über Litschikuchen«. Mit protziger Virtuosität (»Afghanerrap, kein Ballermann 6 / tick Packs aus dem Avantgarde S / Goldring so fett wie Calamares«) zieht der Sympathieträger wider Autotunesingsang und Rap nach Schema F zu Felde. Seine wie immer bis ins Absurde überzeichnete Kunstfigur setzt sich wohltuend ab von den ganzen Jungspunden, die einen auf L.A. machen, aber am Ende doch nur Bietigheim-Bissingen sind, allein dadurch, dass er keinen Zweifel lässt, wo wir uns befinden, nämlich in good ol’ Germany (»Kein Fijiwasser, Fijiwasser, Fijiwasser / nur Leitungswasser, Leitungswasser / Das ist Bonn, nicht Paris / nicht Migos, nicht Kaaris«). Popkulturelle Relevanz zeigt sich daran, dass die Kiffer im Golf 3 ebenso besungen werden wie die Eiswürfel von der Aral-Tanke oder die Schüsse aus dem »Hochzeitskorso«. Hausproduzent Reaf sorgt für den künstlerischen Fortschritt, indem er knochentrockene Boom-Bap-Beats unter wuchtig-moderne Sounds legt, die verraten, dass im Studio wohl doch nicht nur Wu-Tang und Dr. Dre lief. Man kann sich berechtigt stören am ganzen Nutte-Bumsen-Deine-Mutter-Vokabular und Ssio eine entrüstete Postkarte schreiben. Im Zweifelsfall würde er das wohl witzig finden. »Messios« ist brilliant produziert, makellos gerappt, angriffslustig, selbstironisch humorvoll, neben OG Keemos »Geist« eigentlich das einzige deutsche Gangsta-Rap-Album, das man zwo neunzehn wirklich gehört haben muss. Kay Schier


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