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Stefan Heissenberger: Schwuler* Fußball

Stefan Heissenberger: Schwuler* Fußball

Stefan Heissenberger: Schwuler* Fußball. 382 S.

Anfang Januar 2019 vermeldete der Deutsche Fußball-Bund »gelebte Vielfalt« und »keine solchen Tabus wie vor fünf Jahren«. Der ehemalige Profifußballer und heutige Fernsehexperte Thomas Hitzlsperger hatte ein Radiointerview gegeben und eine Bilanz zu seinem Coming-out Anfang 2014 gezogen. Dass im deutschen Profifußball immer noch ein anderer Wind weht, zeigt die Position vom Eintracht-Frankfurt-Präsidenten, der einem aktiven Spieler weiterhin vom Coming-out abrät. Während im Rugby mit den Berlin Bruisers in der Regionalliga seit Jahren ein bekennendes schwules Team spielt, ist die vierte deutsche Männer-Fußballliga gefühlt noch Lichtjahre davon entfernt – unabhängig von den mittlerweile regelmäßigen öffentlichen Bekenntnissen gegen Homophobie im Bundesligaalltag. Stefan Heissenberger zeigt nun in seiner Studie, wie ein schwuler Fußballverein funktioniert. Als Heterosexueller trainierte und spielte er beim Vorspiel SSL Berlin. Gegründet 1986, besitzt er heute über tausend Vereinsmitglieder und wirbt als »einzige schwule Fußballmannschaft Ostdeutschlands« für sich. Heissenbergers teilnehmende Beobachtung ist Teil seines Dissertationsprojekts über schwule Fußballer und schwule Fußballvereine und im vorliegenden Band in elf Kapitel eingeteilt. So muss sich der Lesende zuerst durch die ethnografischen und sportwissenschaftlichen Theorien arbeiten, um dann zur Geschichte des Vereins und zu dessen Alltag zu gelangen. Die als Spielertrainer erlangte Binnensicht zeigt auch einige Konflikte – wie etwa die Umsetzung des Leistungsgedankens im Freizeitsport. Die Arbeit ist wichtig, denn sie widmet sich dem Alltag und ordnet sich innerhalb der Männlichkeitsforschung ein. Positiv-pragmatisch sieht der Autor den schwulen Fußballer nicht als Spielverderber, sondern wirbt um »die produktive Wirkung in den alten Gemeinschaften«. Das klingt alles sehr gut – aber vielleicht muss erst das ganz alte Denken aus diesen Gemeinschaften verschwinden. Britt Schlehahn


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