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Temtem

Temtem

Pikachu pubertiert

Preis: 31 €

Wir müssen uns Pikachu als ein unglückliches Pokémon vorstellen. Es könnte so vieles aus seinem Leben machen, aber es darf nicht. Über zwei Jahrzehnte steckt es im Hamsterrad: In immer gleichen Spielen kämpft es Runde um Runde gegen immer dieselben Taschenmonster. Ohne den elektrischen Zauberschweif wäre längst alle Spannung verflogen. Die Fans wollen es so. »Pokémon« ist ein noch viel größeres multimediales Phänomen, als viele Menschen in unserem Kulturkreis ahnen. Millionen Kinder sind mit der Serie aufgewachsen. Sie werden Pikachu niemals gehen lassen. Als Entwickler Game Freak es gewagt hat, für das aktuelle »Pokémon«-Spiel auf der Nintendo Switch ein paar alte Zöpfe der Serie abzuschneiden, tobte ein Monate währender Shitstorm. Weil nicht mehr alle Pokémon aller Zeiten im sogenannten Pokédex gesammelt werden konnten, trendete #Dexit auf Twitter. Unter dem Druck sind »Pokémon«-Spiele erstarrt. Sie können und dürfen sich nicht mehr entwickeln. Den möglichen Ausweg hat »Temtem« gefunden. Es ist ein Spiel erwachsener Pokémon-Fans mit anderen niedlichen Monstern; von seinem Vorbild ist »Temtem« dermaßen inspiriert, dass man die beiden übereinanderlegen und gegen das Licht halten muss, um Unterschiede zu erkennen. Spieler schlüpfen in die Schuhe heranwachsender Helden, ziehen in die Welt, fangen und trainieren kleine Monster, duellieren sich, werden berühmt, schlagen gelegentlich ihren alten Rivalen aus Kindheitstagen. Der Titel ist noch nicht fertig, kann aber auch halbfertig gekauft und gespielt werden. »Temtem« ist ein MMO, also ein Online-Rollenspiel, in dem viele Spieler dieselbe Welt bevölkern. Menschen treffen ungefiltert aufeinander, laufen aber interaktionsfrei aneinander vorbei. Bald sollen sie Temtems tauschen und sich duellieren können; Inseln, Monster und Spielmöglichkeiten werden laufend nachgereicht. Was bisher da ist, funktioniert aber sehr gut für Menschen, denen das Original zu simpel geworden ist und die sich nach einem Endgame mit härteren, pubertierenden Monstern sehnen. Statt immer brav mit einem Pokémon auf einmal treten die Trainer hier mit zweien gleichzeitig an. Das steigert die Komplexität um 100 Prozent. Und dann wimmelt es im Spiel von halbwegs starken Gegnern. Wie in anderen Rollenspielen für Erwachsene auch. Ist das also die wahre neue Evolutionsstufe? Gibt es im Spiel Monster mit Brusthaaren? Bisher nicht. Nur »Baboong«, immerhin eine Art Affe mit üppigem Backenbart. Aber vielleicht kommen die noch. Das Spiel ist früh dran. Bisher beweist es nur, dass es als schwierigeres Fauxkémon funktioniert. Jan Bojaryn


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