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The Party

The Party

Kratzen und beißen

GB 2017, 81 min, R: Sally Potter, D: Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones Janet hat es geschafft: Sie wurde zur Gesundheitsministerin im Schattenkabinett des britischen Unterhauses gewählt. Jahrelang hatte sie darauf hingearbeitet, mit Hilfe ihres Mannes Bill, der einst seine Professur aufgab, um sie zu unterstützen. Eigentlich ein Grund zur Freude und Anlass für eine Party. Doch irgendwas stimmt nicht mit Bill. Er sitzt apathisch auf seinem Sessel, die Jazzplatten auf Anschlag, und leert allein eine Flasche Wein, während Janet das Essen vorbereitet. Bill rührt sich auch nicht, als die Gäste eintreffen. Die emanzipierte April, die ihren Eso-Typen Gottfried nur mitgeschleppt hat, um mit ihm Schluss zu machen. Das lesbische Paar Martha und Jinny, die in Kürze gleich drei Kinder erwarten, aber nicht sicher sind, ob sich das mit ihrem Freiheitsdrang vereinbaren lässt. Und der Banker Tom, der eigentlich mit seiner Freundin zur Party stoßen sollte. Doch die Tatsache, dass er ein nervliches Wrack ist, deutet darauf hin, dass hier nicht alles so läuft wie geplant. Das ist aber nur einer der zahlreichen Abgründe, die Regisseurin Sally Potter in ihrer bitterbösen Gesellschaftssatire aufreißt, um ihre Figuren hineinzustoßen. Mit großer Lust inszenierte sie diese Boulevardkomödie mit bissigen Dialogen, strikten Schwarz-Weiß-Bildern und einem großartigen Ensemble, in dem unter anderem Kristin Scott Thomas, Cillian Murphy, Patricia Clarkson und Timothy Spall glänzen. In nur zwei Wochen entstand die Charade in einem Londoner Studioset. Nur eine Stunde braucht Potter, um die Existenzen ihrer Figuren in Grund und Boden zu treten. Die Kameraarbeit von Potters Wegbegleiter Aleksei Rodionov, die den begrenzten Raum auszunutzen weiß, und der temporeiche Schnitt sorgen für kurzweilige 71 Minuten, die auch ein Spiegel der gegenwärtigen britischen Gesellschaft sind. Lars Tunçay


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