anzeige
anzeige
Ulf Torreck: Zeit der Mörder

Ulf Torreck: Zeit der Mörder

Ulf Torreck: Zeit der Mörder. 576 S.

Thriller gibts wie Giftsand am Toten Meer. Gut gebaut sind sie selten, dafür sprachlich oft schlicht und hölzern in den Dialogen. Und dennoch können sie Bestseller werden, man schaue sich den Erfolg von Dan Brown an. Das ist insgesamt nicht weiter schlimm, sie sollen halt weggelesen werden, kurz unterhalten und bei der zweiten Karaffe Wein noch verständlich sein. Der Thriller »Zeit der Mörder« fällt da aus dem Rahmen. Er ist inhaltlich raffiniert, packend und auch sprachlich nicht unüberlegt hingeworfen. Das hat vielleicht mit dem Thema zu tun. Denn wenn es um Nazis und Serienmörder geht, könnte man schnell in Fallstricke geraten und bloß das Exploitation-Genre bedienen. Der Leipziger Autor Ulf Torreck umschifft diese Klippen und geizt trotzdem nicht mit Spannung, Mord und Gewalt. Vom Plot soll nicht zu viel verraten werden. Den Rahmen bildet eine Vernehmung 1947 in der westirischen Provinz Connacht. Der Kunstmaler Claas Straatmann erschießt einen Einbrecher. Schnell wird klar, dass der kein Fremder war – und Straatmann auch nicht ist, wer er zu sein scheint. In Rückblenden führt der Krimi zu dessen Alter Ego, das während der deutschen Besatzung in Paris einen furchtbaren Verbrecher jagt. Der Killer fertigt Patchwork-Tableaus aus Leichenteilen und wird von den Besatzern mehr als geduldet. Das Buch ist ein einziger Lesefluss, der einen mitreißt. Holocaust und andere deutsche Barbareien werden weder verschwiegen noch billig ausgeschlachtet und die Figurencharakterisierung zerfällt nicht ins zu einfache Gut-und-Böse. So ist Straatmann ein versoffener Kerl, der eigentlich hofft, als SS-Obersturmbannführer eine ruhige Kugel zu schieben. Und doch wird er zum kleinen Helden, dem nicht alles egal ist. Aufgrund des Rahmens, in dem irische Freiheits- und französische Résistancekämpfer als Quasi-Richter auftreten, werden auch leise Reflexionen über die etwaige Notwendigkeit von Gewalt angestoßen. Kurzum: Spannende Unterhaltung muss nicht billig gemacht sein. Tobias Prüwer


Weitere Empfehlungen