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Verena Güntner: Power

Verena Güntner: Power

Verena Güntner: Power. 250 S.

Kerze stellt sich jedem in den Weg, der den Dorfsupermarkt betreten möchte. Das Mädchen will sehen, wer von den Kunden kleine Augen hat. Denn die verraten einen bösen Menschen. Einen Menschen, der einen Hund klaut. Kerze will Power finden, den vermissten schwarz-weiß gescheckten Hund einer betagten Dorfbewohnerin. Und wenn sich Kerze einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es durch. Diese Willensstärke macht Eindruck auf die anderen Kinder im Dorf. Bald schließen sie sich zusammen und suchen gemeinsam.  So weit, so realistisch. Doch dann beginnen die Kinder, sich zu verwandeln. Sie bellen, laufen auf allen Vieren und verschwinden im Wald. Man kann diese Rudelbildung als Revolte der Empathie lesen. Schließlich wollen die Kinder der älteren Hundebesitzerin helfen. Sie übertreiben es nur damit, sich in den vermissten Hund einzufühlen. Vieles erinnert dabei an William Goldings Roman »Herr der Fliegen«. Beide Bücher beschreiben, wie schnell die Errungenschaften der Zivilisation in Gefahr geraten können. Und sie fragen, was eine Gemeinschaft ausmacht und zusammenhält. »Power« ist zweifelsohne aktuell, findet aber seine erzählerische Mitte nicht ganz. Die allegorisch anmutenden Passagen, die von den Kindern und ihrer Suche nach Power berichten, sind durchweg mitreißend. Jene realistischen und oft nüchternen Abschnitte, die sich den zurückgebliebenen Dorfbewohnern widmen, fallen dagegen stark ab. Dadurch bleibt der Roman, der gerade am Beispiel der durchsetzungsstarken Kerze von Macht und deren Verführbarkeit erzählt, hinter seinen Möglichkeiten zurück. Und büßt selbst an Verführungskraft ein.  Tino Dallmann


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