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Vincent Overeem

Vincent Overeem

Stellenweise schmerzhaft - In »Misfit« erzählt Vincent Overeem von der Macht alter Konflikte

Vincent Overeem. 240 S.

Das Rätsel steht nicht am Anfang, sondern entspinnt sich während des Romans mit den Informationshäppchen, die der Erzähler liefert und die sich beim Leser verdichten. Durch die Erzählweise, die zwischen Gestern und Heute wechselt und damit stückweise die Vergangenheit offen legt, entsteht der permanente Verdacht eines Unheils, das hinter der Geschichte lauert und brachial über den Leser hereinzubrechen droht. Dieser fragt sich immer stärker, was denn eigentlich passiert ist und welche Rolle die einzelnen Figuren wirklich spielen.Der 18-jährige Ich-Erzähler ist vom Land in die Stadt gezogen und lungert mit seiner dort gefundenen großen Liebe Kaat in seinem Zimmer herum. Es ist Hochsommer, es ist heiß, die Hitze lähmt und drückt auch auf die Erzählung. Durch Zwist mit Kaat ist der Erzähler verunsichert und auf sich selbst geworfen. Er beginnt schrittweise, sich seiner Kindheit zu erinnern, in der neben schönen Momenten auch alte, mächtige Konflikte stecken. Die Familie besteht aus einem übergroßen Vater, einem geliebten, aber schrägen Bruder und einer blassen Mutter. Diese Aufarbeitung ist stellenweise sehr schmerzhaft, trägt aber auch die Botschaft in sich, dass sie sich überleben lässt und danach nichts schlimmer, sondern alles besser ist.Der Roman konzentriert sich stark auf den Erzähler, Overeem gelingt es aber, auch die anderen Figuren in schwungvollen Zügen zu charakterisieren. Kaat ist hierbei etwas widersprüchlich konstruiert, indem sie einerseits absolut unnahbar wirkt, gegen Ende dann aber als sehr herzlich dargestellt wird. Der Erzählton ist locker und leger, aber keineswegs anbiedernd, sondern schafft eher eine gewisse Authentizität, die auch eine Nähe zum Leser herstellt. So wird die Traurigkeit der bewegenden Vergangenheit unmittelbar. Keine typische Coming-of-Age-Geschichte. Franziska Reif


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