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Weedcraft Inc

Weedcraft Inc

Weed als Wegweiser

Preis: 17 €

Videospiele könnten uns viel über die Realität erzählen. Das Medium ist da, das Publikum ist da, die Produktionsmöglichkeiten sind da. Trotzdem wird es nix. Spieler wünschen sich eher Spiele wie früher, höchstens mit neuer Grafik. Spielemacher sind selbst Spieler und entwickeln das, was sie selbst gerne spielen. Die Geschichte, die sie erzählen, ist eine der Weltflucht, der zugezogenen Vorhänge. So ist es natürlich nicht immer, und deswegen können immerhin solche Spiele wie »Weedcraft Inc« erscheinen. »Immerhin« deswegen, weil es viel versucht, aber nicht alles schafft. Dabei ist die Idee schlicht und gut: In einer deprimierenden Gegenwart der USA stolpern Spieler in den Cannabis-Anbau und -Handel. Sie können versuchen, die Sache mehr oder weniger legal aufzuziehen. Sie können Mitarbeiter gut bezahlen oder schlecht behandeln, können mit anderen Dealern konkurrieren, Preise festsetzen, den Anbau weiterentwickeln, Polizisten bestechen – da wären viele Möglichkeiten offen, da könnte man viele Geschichten miterleben. In der Praxis startet das Spiel aber enttäuschend und wird dann nur langsam besser. Langwierige, unaufregende Dialoge zwischen blassen Charakteren, ein halbherzig aufgeräumter Menüsalat und Anbau als Minispiel auf Augenhöhe mit dem alten Onkel »Farmville« stehen auf dem Programm. Dass für die nervigsten Fleißklickarbeiten irgendwann Angestellte zuständig sind, tut gut. So wird der Blick frei auf interessante strategische Entscheidungen. Aber andere haben vorgemacht, wie man so ein Spiel packender entwickelt. Es bräuchte mehr harte Entscheidungen, weniger Klischees und weniger Simulation eines trostlosen Alltags im Geschäft. Oder ist das ein Missverständnis? Vielleicht wollten die Entwickler nur ein höchst zurückgelehntes Spiel schaffen, das auch einhändig gespielt werden kann, eines, von dem sich auch ein zugedröhntes Publikum nicht gleich überfordert fühlt. Das ist es, aber auch nur anfangs. Das klingt harsch, dabei ist »Weedcraft Inc« wirklich interessant; vor allem wegen der großen Chance, die sich hier andeutet. Wir stehen vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Es ist 2019. Alle haben einen roten Kopf, keiner gestaltet mehr etwas. Aber alle spielen. Die gesellschaftliche Aufgabe dieses Mediums müsste jetzt sein, dass wir unsere Möglichkeiten durchspielen, dass wir uns nach einem möglichen Morgen umschauen. Da hätte auch eine Simulation über unseren Umgang mit Drogen einen Platz am Tisch verdient. Wie die genau aussehen müsste, darüber können wir ja bei einer Runde »Weedcraft« nachdenken. Jan Bojaryn


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