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Yrsa Daley-Ward: Alles, was passiert ist

Yrsa Daley-Ward: Alles, was passiert ist

Yrsa Daley-Ward: Alles, was passiert ist. 233 S.

Yrsa Daley-Ward ist eine dieser Autorinnen, die wie Rupi Kaur ihre Texte in den sozialen Medien teilen und dadurch Leserinnen und Aufmerksamkeit gewinnen. Verwunderlich ist ihr enormer Erfolg nicht, auch wenn »Alles, was passiert ist« das erste ins Deutsche übersetzte Buch der Schriftstellerin ist – ihre Gedichte und Kurztexte sind auch in Englisch gut zu verstehen. Abseits aller Inhalte zeigt sie die Fragilität des Geschriebenen, indem sie mit der Hand schreibt, oder ein Gedicht per Video aufnimmt, welches noch am Computer bearbeitet wird; der Cursor flackert, ein Wort wird gelöscht und ersetzt. In dieser Flüchtigkeit, dieser Transparenz liegt eine enorme Kraft, die sie auch in ihren Roman transferiert hat. Wikipedia verhandelt »Alles, was passiert ist« unter dem Stichwort »memoir«. Warum eine Dreißigjährige eine Biografie schreibt? Das Buch liefert die Antwort, und es liefert sie, wenn man das möchte, in einer einzigen Nacht. Dieses Memoir kommt luftig daher – mitunter sparsam beschriebene Seiten, einzelne Sätze, angeordnet, wie man es von Gedichten gewohnt ist – und entfaltet dennoch und gerade deshalb eine enorme Wucht. Das liegt nicht nur daran, dass Daley-Ward bereits in den ersten knapp dreißig Jahren ihres Lebens so viel erlebt hat wie manch andere in einem ganzen Leben, sondern dass sie diese Erlebnisse aufschreibt, ohne herumzudrucksen, ohne zu beschönigen, ohne Geheimnisse – einfach alles, was passiert ist. Sicher liegt die Tragkraft des Textes auch darin begründet: in dem Verlangen der Leser, zu wissen, ob es wirklich genau so gewesen ist. Das Buch behauptet es jedenfalls. Eigentlich spielt das aber keine Rolle, außer für die Autorin selbst. Alle, die »Alles, was passiert ist« lesen, müssen nur eins wissen: Es ist hart, es tut weh, es bringt einen um den Schlaf und wenn man es zuklappt, meint man, darin hause etwas, das unbedingt herauswill – ein großes Aufatmen, ein Hoffen und ein Einhorn. Linn Penelope Micklitz


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