Ein ernster, unheilvoller Blick. Die Haltung dennoch aufrecht, stolz. Eine Büste auf einer großen, massiven Stele: »Patrice Lumumba, geboren 1925 / gestorben 1961« steht darauf. Seit dem 15. Januar erinnert ein Denkmal vor dem Herder-Institut an den afrikanischen Freiheitskämpfer.
Ein ernster, unheilvoller Blick. Die Haltung dennoch aufrecht, stolz. Eine Büste auf einer großen, massiven Stele: »Patrice Lumumba, geboren 1925 / gestorben 1961« steht darauf. Seit dem 15. Januar erinnert ein Denkmal vor dem Herder-Institut an den afrikanischen Freiheitskämpfer.
Es ist das Jahr 1960, als der 34-jährige Patrice Lumumba, zuvor Postangestellter, zum Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo gewählt wird. Das Jahr, das vielen Zeitgenossen als das »Afrikanische Jahr« in Erinnerung bleibt. Zahlreiche Staaten auf dem schwarzen Kontinent erringen ihre Unabhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmächten, so auch Belgisch-Kongo. Lumumba will das Land einen, den Frieden bewahren, die sozialen Unterschiede verringern. Den ehemaligen Kolonialherren, die auch nach der Unabhängigkeit des Landes Einfluss in Wirtschaft, Militär und Verwaltung ausüben, bietet er die Stirn. Legendär ist seine Rede während des Festaktes zur Unabhängigkeitsfeier, in der er unter Anwesenheit des belgischen Königs mit deutlichen Worten die Zeit der belgischen Kolonialherrschaft kritisiert.
Hans-Joachim Wienhold erinnert sich: »Meine Kommilitonen und ich haben die Vorgänge in Afrika mit großem Interesse verfolgt. Die Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo unter Führung der Person Lumumba hätte richtungsweisend für die gesamte Entwicklung Afrikas sein können.« Der 76-jährige Wienhold schließt zu Beginn der sechziger Jahre gerade sein Studium der Industrieökonomie und des Maschinenbaus ab, Sonderfach Afrika. Fasziniert von den Geschehnissen auf dem Nachbarkontinent wählt er während des Studiums die fachliche Spezialisierung am neu gegründeten Afrika-Institut der Karl-Marx-Universität, an dem er später promoviert und bis kurz nach der Wende als Dozent tätig ist.
Lumumbas Amtszeit im Kongo währt nur drei Monate. Nach einem Militärputsch gerät er in Gefangenschaft und wird schließlich im Januar 1961 umgebracht – späteren Untersuchungen zufolge offenbar unter Mitwirkung des belgischen Geheimdienstes und der CIA. Weltweit kommt es zu Demonstrationen. Im Ostblock ist die Verehrung auch politisches Mittel. Eine Moskauer Universität und Straßen in Magdeburg, Dresden und Leipzig werden nach dem kongolesischen Unabhängigkeitskämpfer benannt.
In Leipzig stellt die FDJ ein Denkmal vor dem Herder-Institut auf. Dort erhalten ausländische Studenten noch heute Sprachkurse in Vorbereitung auf ein Studium in Deutschland. Wienhold erlebte die Enthüllung im November 1961: »Es haben sich Massen versammelt, die Menschen strömten aus den Betrieben, Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen.« In der Folgezeit ist Lumumbas Denkmal Anlaufpunkt bei zahlreichen politisch geprägten Gedenktagen, etwa zum Geburts- oder Todestag Lumumbas. Die afrikanische Community der DDR konzentriert sich in der Messestadt, die studentische Ländergruppe hat hier ihren Sitz.
Nach dem Mauerfall wird es zunächst ruhig um das Denkmal. Als Unbekannte in der Nacht zum 01. Mai 1997 die Stele umwerfen und die darauf befindliche Büste entwenden, erhält das Denkmal mediale Aufmerksamkeit. An eine Wiedererrichtung denkt die Universitätsleitung vorerst nicht. Wienhold ist inzwischen Mitglied der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft (DAFRIG), die sich 1990 mit dem Ziel der Völkerverständigung gegründet hat. Patrice Lumumbas Ideen seien heute noch so aktuell wie damals. »Dass die vielschichtigen Probleme Afrikas sich eigenständig lösen könnten – diesen Traum Lumumbas träume ich heute noch«, meint der pensionierte Afrika-Dozent.
2010 schreibt er zum wiederholten Mal einen Brief an Universitätsrektor Franz Häuser und bittet um die Wiederherstellung des Gedenkortes. Da der 50. Todestag Lumumbas naht, wird das Vorhaben genehmigt. Mithilfe von Spendengeldern in Höhe von 6000 Euro errichtet die DAFRIG das Denkmal neu. Nun thront nicht mehr die alte Büste des Metallgestalters Rudolf Oelzner auf der Stele, sondern die Kopie eines Werkes von Jenny Mucchi-Wiegmann, das die Künstlerin 1961 unter dem Eindruck der Verhaftung und Ermordung Lumumbas schuf.
Im Januar 2011 versammeln sich wieder 200 Menschen vor dem Herder-Institut, unter ihnen die deutsche Botschafterin der Demokratischen Republik Kongo, Clémentine Shakembo Kamanga, und das kongolesische Fernsehen. Auch Wienhold ist beim Moment der Enthüllung dabei: »Ich war innerlich tief bewegt, genauso wie früher.«