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Kultur

»Ich kam mir ganz ausgetrocknet vor«

Michael »Bully« Herbig über Helmut Dietl, Humor und sein eigenes filmisches Haifischbecken

  »Ich kam mir ganz ausgetrocknet vor« | Michael »Bully« Herbig über Helmut Dietl, Humor und sein eigenes filmisches Haifischbecken

In der TV-Show »Bullyparade« hat Michael »Bully« Herbig mit seinen Sketchfolgen von den Karl-May-Verfilmungen über »Raumschiff Enterprise« bis hin zu den »Sissi«-Filmen alles verballhornt, was eine deutsche Fernsehkindheit in den späten Siebzigern so ausmachte. Die Kinoversionen von »Der Schuh des Manitu« und »(T)raumschiff Surprise« entwickelten sich danach an den deutschen Kinokassen mit jeweils über 10 Millionen Zuschauern zu superlativen Überraschungserfolgen. Nach seinem Auftritt in Leander Haußmanns »Hotel Lux« spielt er nun in Helmut Dietls Politsatire »Zettl« einen gewieften Chauffeur, der sich im Berliner Politsumpf bestens auskennt, zum Chefredakteur eines Online-Magazins aufsteigt und im korrupten Establishment kräftig mitmischt.

kreuzer: Herr Herbig, in »Zettl« geht es um die Bestechlichkeit der bundesdeutschen Politik. Wird der Film mit der Affäre Wulff nicht gerade von der Wirklichkeit überholt? MICHAEL »BULLY« HERBIG: Also ehrlich gesagt finde ich »Zettl« sehr viel interessanter. Hätte mir jemand ein Drehbuch zur Affäre Wulff auf den Tisch gelegt, hätte ich gesagt: »Was willst du mit dem langweiligen Kram? Da musst du dir was Besseres ausdenken.« Ich finde es erstaunlich, dass man sich so lange mit diesem Thema beschäftigen kann. Ich langweile mich sehr schnell. Dass so eine Posse sechs Wochen lang TV-Sendungen und Zeitungen füllen kann, ist der reinste Wahnsinn. Aber allein die Tatsache, dass wir jetzt darüber sprechen, langweilt mich schon wieder.

kreuzer: Aber wie erklären Sie sich den Hype? HERBIG: Ich glaube, dass es diese Dinge, die jetzt mit der Affäre Wulff oder Guttenberg ans Licht kommen, schon immer gegeben hat - nur hat es keiner mitbekommen. Ich möchte nicht wissen, was über Franz Josef Strauss noch alles herausgekommen wäre, wenn es damals schon die medialen Möglichkeiten des Internets gegeben hätte.

kreuzer: Was schätzen Sie an Helmut Dietl als Regisseur? HERBIG: Ich mag seine alten Sachen: »Kir Royal«, »Monaco Franze« und vor allem »Schtonk«. Es gibt wenige deutsche Filmemacher von seinem Kaliber.

kreuzer: Wie unterscheidet sich der Dietl-Humor vom Bully-Humor? HERBIG: Humor kann man schwer definieren. Ich finde es erstaunlich, dass in Deutschland so große Unterscheide zwischen Satire, Kabarett und Comedy gemacht werden. Solche Unterscheidungen gibt es zum Beispiel in Amerika gar nicht. Wenn etwas lustig ist, ist es eine Komödie. Entweder man lacht oder man lacht nicht. Es gibt Szenen in einem Dietl-Film, die finde ich komisch, genauso wie ich Szenen in meinen Filmen lustig finde, auch wenn das natürlich eine andere Humorfarbe ist.

kreuzer: Fällt es dem Filmemacher Herbig schwer, sich als Schauspieler führen zu lassen? HERBIG: Nein, gerade wenn man selbst Filme dreht, weiß man es zu schätzen, wenn der Schauspieler das macht, was man sich vorgestellt hat. Als Filmemacher schreibt man Monate oder Jahre an einem Drehbuch und dann macht es einen sehr glücklich, wenn der Schauspieler genau den Ton trifft, den man sich beim Schreiben vorgestellt hat. Aber natürlich ist es gewöhnungsbedürftig, weil man wenig Spielraum hat. Am ersten Drehtag hat Dietl schon nach ein paar Sätzen zu mir gesagt: »Nein, Bully, nicht lustig. Trocken!« Da kam ich mir manchmal ganz ausgetrocknet vor.

kreuzer: Ist Zettl ein Mann ohne moralische Eigenschaften? HERBIG: Dietl wollte diese neue Generation der Unmoral porträtieren. Baby Schimmerlos, die Hauptfigur von »Kir Royal«, war auch vollkommen unmoralisch, aber er war sich dessen bewusst. Zettl hingegen ist unmoralisch und merkt es nicht einmal. In Dietls Augen repräsentiert diese Figur die Art, wie die Menschen heute miteinander umgehen.

kreuzer: Sie sind der erfolgreichste deutsche Filmemacher. Mit dem Erfolg kommt auch Macht. Wie gehen Sie damit um? HERBIG: Ich nehme es zur Kenntnis, wenn man mir sagt, dass ich Macht habe, aber es ist mir eigentlich vollkommen egal. Ich bin ja nicht auf die Welt gekommen und wollte unbedingt mächtig sein. Ich wollte einfach nur das machen, was mir Spaß macht – und das sind Filme. Produzent bin ich geworden, weil ich keine andere Chance hatte. Ich habe für meine Projekte keine Produzenten gefunden und musste es halt selbst machen. Es gibt in der Branche viele Leute, die einen Film machen oder eine Rolle spielen müssen, weil sie das Geld brauchen. Dass ich mir meine Projekte aussuchen kann, ist ein Riesenglück.

kreuzer: Das klingt recht entspannt für ein Leben in einer Branche, die oft als Haifischbecken beschrieben wird… HERBIG: Für viele ist die Filmbranche vielleicht ein Haifischbecken, aber ich selbst habe das so nicht erlebt, weil man mich ja in dieses Becken nicht reingelassen hat. Und da habe ich einfach mein eigenes Becken aufgemacht. Da geht’s recht gemütlich zu. Nur harmlose Tiere und jede Menge Clownsfische.

kreuzer: Sind Sie eigentlich ein politischer Mensch? HERBIG: Ich halte mich mit politischen Aussagen zurück. Unterhalter haben in der Politik genauso wenig verloren, wie Politiker in der Unterhaltung.


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