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Kultur

»Manchmal muss man den Krebs einfach weg lachen«

Drehbuchautor Will Reiser über seinen Film »50/50 – Freunde fürs (Über)Leben«, seine Krebserkrankung und Humor in kritischen Lebenslagen

  »Manchmal muss man den Krebs einfach weg lachen« | Drehbuchautor Will Reiser über seinen Film »50/50 – Freunde fürs (Über)Leben«, seine Krebserkrankung und Humor in kritischen Lebenslagen

In den letzten Jahren wurde immer wieder die Krankheit Krebs auf der Kinoleinwand verhandelt. Cameron Diaz versucht als verzweifelte Mutter in »Beim Leben meiner Schwester« mit einem weiteren Kind das Leben ihrer krebskranken Erstgeborenen zu retten. Andreas Dresen erzählte im letzten Winter in »Halt auf freier Strecke« die tragische Geschichte über einen Familienvater, der die schockierende Diagnose Hirntumor erhält. Und Ende April startete »Das Leben gehört uns« in den Kinos – ein Film, der von einem jungen Paar erzählt, dass mit allen Mitteln gegen die Krebserkrankung ihres Sohnes angeht. Heute startet »50/50 – Freunde fürs (Über)Leben« in den Passage Kinos, ein Film, der der Krankheit mit viel Humor entgegentritt. Adam Lerner (Joseph Gordon-Levitt), noch keine 30, erfährt darin, dass er einen Tumor an der Wirbelsäule hat. Überlebenschancen eher gering. Die Menschen, die ihm nahestehen, sind genauso überfordert wie er selbst. Einzig sein bester Freund Kyle (Seth Rogen) bringt etwas Schwung in den Alltag des Kranken. Mit einem Augenzwinkern erzählt der Film die Geschichte des Drehbuchautoren Will Reiser.

kreuzer: Ihr Drehbuch zum Film »50/50 – Freunde fürs (Über)Leben« ist autobiografisch. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ihre eigene Krankengeschichte zu erzählen?

WILL REISER: Ich bekam vor sechs Jahren die Diagnose. Mit 25. Seth Rogen und ich waren auf einer Party. Seit sechs Wochen wusste ich von dem Tumor in meinem Rücken. Wir sprachen darüber, wie Krebskranke von allen behandelt werden. Als ob man diese Checkliste hätte mit Dingen, die man vor seinem Tod unbedingt noch erledigen sollte. Aber die Realität sah ganz anders aus. Ich wollte nur schlafen und Baseball gucken. Genau da hatten wir die Idee. Keiner im Kino hat sich bisher getraut, genau das zu zeigen. Ich habe mich mit dem Drehbuch ein bisschen selbst therapiert: Witze machen über die Krankheit und schon habe ich mich besser gefühlt.

kreuzer: Und deswegen ist es eine Krebskomödie geworden?

REISER: Eigentlich ist es gar keine Krebskomödie, sondern eine Buddy-Komödie, in dem der eine eben Krebs hat. Am Anfang war es nur ein Witz. Dann wurde es immer konkreter. Uns fiel eine absurde Szene nach der anderen ein. Damals haben wir nie daran geglaubt, den Film auch wirklich zu machen. Als es mir dann aber besser ging, die Prognosen gut waren und ich meine ganzen Arztrechnungen gesehen habe, war eigentlich klar, dass ich diesen Film schreiben muss. Das war fast schon kathartisch.

kreuzer: Und dann haben Sie Seth Rogen die Pistole auf die Brust gesetzt und ihn gezwungen in dem Film mitzuspielen?

REISER: Es war von vorneherein klar, dass Seth Rogen meinen besten Freund spielt. Er war es damals ja auch. Als wir das erste Mal über den Film sprachen, war Seth auch noch völlig unbekannt. Ich habe den ersten Entwurf fertig gehabt, da war er auf einmal ein Star. Und trotzdem war er sich jetzt nicht zu schade, eine Nebenrolle zu spielen. Ich glaube das macht echte Freundschaft aus.

kreuzer: Wie haben denn die Studios reagiert, als sie mit der Idee ankamen, eine Krebskomödie zu machen?

REISER: Ich glaube, es gab kein einziges Studio, das Interesse an dem Skript hatte. Es gibt in Hollywood diese »schwarze Liste« mit Filmen von denen man besser die Finger lassen sollte. Die haben wir eine ganze Weile angeführt. Lustiges Skript, lustige Idee, aber wer soll das bitte sehen wollen?

kreuzer: Sie schaffen es, die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit der Geschichte zu finden.

REISER: Die meisten denken bei einer Krebskomödie direkt daran, dass wir uns über den Krebs lustig machen wollen. Aber wir machen uns ja nicht über den Krebs lustig. Ich mache mich über unsere eigene Unbeholfenheit lustig. Humor war damals extrem wichtig für mich. Es gab viele absurde Situationen, gerade mit den Ärzten. Eben weil ich das alles selbst erlebt habe, wusste ich genau, wo die Grenzen sind. Ich habe mit vielen Krebspatienten gesprochen und keiner hat gesagt, dass er sich durch den Film beleidigt fühlt. Ein größeres Lob könnte ich gar nicht bekommen. Es gibt immer Höhen und Tiefen. Manchmal muss man sie einfach weg lachen.

kreuzer: Gerade in den Szenen mit den Eltern gelingt dem Film ein gekonnter Mix aus Witz und bitterem Ernst. Die Eltern sind reichlich überfordert mit der Situation?

REISER: Ja, meine Eltern kamen sogar einmal ans Set. Dummerweise zu genau der Szene als Adam im Film seiner Mutter die Krebserkrankung beichtet. Meine Mutter stand am Rand der Szene und konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Noch so ein Zeichen dafür, dass wir nicht nur lustig, sondern auch realistisch sind.

kreuzer: Gab es denn auch Momente, die es nicht in den Film geschafft haben, weil sie einfach zu persönlich waren?

REISER: Natürlich wollte ich keine Autobiographie schreiben. Das wäre den Menschen, die mich die ganze Zeit unterstützt haben gegenüber nicht fair gewesen. In erster Linie wollte ich einen guten Film machen. Ich wollte keinen meiner Freunde bloßstellen und indirekt mit dem Finger auf jemanden zeigen, so nach dem Motto »Du hast dich scheiße verhalten, als ich krank war.« Es gibt keinen richtigen und keinen falschen Umgang mit Krebs. Einige Leute rennen einfach weg, der Krebs verschreckt sie. Es ist keine Schande nicht zu wissen, wie man sich verhalten soll. Aber um eins noch kurz klar zu stellen: Die Idee, mit der Krankheit Frauen aufzureißen, war wirklich nur ein Witz. Ich war mit 25 so schüchtern, ich hätte noch nicht einmal gesunde Frauen angesprochen.


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