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Filmkritik

Der Unberührte

»The Sessions« hat zurecht Aussichten auf einen Oscar

  Der Unberührte | »The Sessions« hat zurecht Aussichten auf einen Oscar

Es gibt diese Filme, die riechen schon nach der ersten Kurzbeschreibung nach Academy Award. »The Sessions« gehört dazu. Um es kurz zu machen: Helen Hunt spielt die Sex-Therapeutin Cheryl, die den 38-jährigen, an Kinderlähmung erkrankten Mark entjungfern soll. So sehr das nach Aufmerksamkeit der Academy klingt, so sehr hätte »The Sessions« sie auch verdient. In erster Linie seine Schauspieler.

Helen Hunt als seriös auftretende und sich kümmernde Sex-Therapeutin, die alle Hüllen fallen lässt, um Hand anzulegen. Ihr gelähmtes Gegenüber John Hawkes ist kaum wiederzuerkennen. Mit Fistelstimme und verkrümmtem Körper liegt er in einer Eisernen Lunge, einer an ein kleines Raumschiff erinnernden, lebenswichtigen Ummantelung seines Körpers. Hawkes famoses Spiel beschränkt sich auf seine Gesichtszüge, seine Augen. Der Körper, eigentliches Ausdrucksmittel eines jeden Schauspielers, verkommt hier zur Hülle. Aber Hawkes Spiel ist so intensiv, dass er seinen Körper gar nicht braucht. Hilfe in allen Lebenslagen und eben auch in der theoretischen Diskussion sexueller Belange bekommt er von einem katholischen Pfarrer, gespielt von William H. Macy, der zwischen sexuellem Unglauben und unbeholfener Hilfestellung schwankt.

»The Sessions« ist kein Schmierentheater, keine Zurschaustellung purer Erotik. Das Nacktsein ist hier Mittel zum Zweck und wird dank des feinen Gespürs von Regisseur Ben Lewin – selbst an Kinderlähmung erkrankt – nie übertrieben dargestellt. Helen Hunt ist nackt, weil man beim Sex eben nackt ist. Und nicht, weil sie ihren blanken Busen ausschnittsweise in die Kamera halten will. Eine Rolle, wie die der Sex-Therapeutin Cheryl, verlangt Mut. Potentielle Oscar-Nominierung hin oder her. Ein Film wie »The Sessions«, der so leise, sanft und zugleich voller Wucht daherkommt, braucht ebenso viel Mut und Kraft. Genauso wie das Leben von Mark zu leben.


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