Gleich sein erster Film »Die Reifeprüfung« geriet zum Knüller und gilt längst als Klassiker. Auch bei der weiteren Karriere hatte Dustin Hoffman stets ein gutes Händchen. Von »Little Big Man« über »Asphalt Cowboy« bis zum »Marathon Man«, von den »Unbestechlichen« über »Tootsie« bis zu »Hook«. Für »Kramer gegen Kramer« sowie »Rain Man« gab es Oscars. Für die Komödie »Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich« kassierte er superlative Gagen. Mit 75 Jahren gibt er nun sein Debüt als Regisseur. In der charmanten Komödie »Quartett« erzählt er von streitlustigen Künstlern in einem Altersheim.
kreuzer: Wie kam es zu dieser späten Reifeprüfung als Regisseur im Rentenalter?
DUSTIN HOFFMAN: Ich komme eben langsam in die Wechseljahre. (lacht) Eigentlich war es Zufall, ein anderer Regisseur war abgesprungen und man bot mir dieses Projekt an. Ich las das Drehbuch und war begeistert. Mir gefiel die Idee eines Ruhesitzes für alternde Musiker, die keine Auftritte mehr bekommen, weil sie als zu alt gelten, obwohl sie ihre Instrumente nach wie vor brillant beherrschen. Ich bin stolz, dass wir für die Nebenrollen echte Musiker gefunden haben, die genau dieses Schicksal erleiden – und die keinerlei Probleme mit einem Drehtag von zehn bis zwölf Stunden hatten.
kreuzer: Wäre so eine Alten-WG mit Künstlern wie im Film auch ein Zukunftsmodell für Sie?
HOFFMAN: Nein, niemals! Lieber würde ich ganz allein in einer Zelle fristen! (lacht) Es sei denn, in dieser WG wären nur Frauen – in ganz unterschiedlichem Alter.
kreuzer: Wie gehen Sie selbst mit dem Alter um?
HOFFMAN: Ich bin jetzt seit 32 Jahren verheiratet mit einer Frau, die 17 Jahre jünger ist als ich. Wenn ich vor einem runden Geburtstag über mein Alter gejammert habe, meinte sie nur, diese Klagen würde sie täglich hören, seit sie mich kenne. Meine heimliche Formel lautete immer: Solange ich mein Alter verdoppeln kann, bin ich noch nicht alt. Mit 40 kann ich noch 80 werden, mit 45 noch 90. Doch irgendwann sagte mein Schwiegervater, du bist jetzt 54, wie viele Leute kennst du, die 108 sind?
kreuzer: Wie groß ist Ihre Angst vor kleinen Zipperlein und gravierenden Krankheiten wie Alzheimer?
HOFFMAN: Meine Familie würde sagen, ich hätte meinen Verstand schon vor Jahren verloren! (lacht) Im Ernst: Mein Erinnerungsvermögen hat nachgelassen, besonders mein Kurzzeitgedächtnis ist schwächer geworden. Ich weiß jedoch nicht, ob das mit dem Alter zu tun hat oder mit meinen Medikamenten gegen Cholesterin. Meine Hoffnung ist, wie es auch der Film zum Ausdruck bringt: Selbst wenn die körperlichen Einschränkungen zunehmen, kann der geistige Horizont wachsen.
kreuzer: Ein Film über alte Menschen und Musik klingt nicht spontan nach Kassenknüller – weshalb dieser Stoff für das Regiedebüt?
HOFFMAN: Stimmt schon, bei einem Film über pensionierte Opernsänger wird nicht jeder sofort ins Kino stürzen, umso wichtiger war es deshalb, diesem Projekt von Anfang an eine besondere Energie zu verleihen, die das Publikum fesselt und die sofort deutlich macht, dass es bei diesem Film nicht um den Geruch von Urin geht. Billy Wilder hat in einem Gespräch mit Volker Schlöndorff einmal gesagt: ›Wenn du dem Publikum die Wahrheit sagen willst, sei besser witzig, sonst werden sie dich töten.‹ Diesen Satz habe ich mir gemerkt.
kreuzer: Wie haben Sie selbst Ihre Liebe zur Oper entdeckt?
HOFFMAN: Zu Beginn meiner Karriere habe ich mit Robert Duvall in New York eine Wohnung geteilt. Außerdem hat noch sein Bruder William dort gewohnt, ein Opernsänger, der zwei weitere Kollegen mitbrachte. Wenn man in so einer Opernsänger-WG lebt, wird man automatisch zum Fan. Noch heute, 55 Jahre später, erinnere ich mich genau daran, wie begeistert ich war, als mir die Jungs ein Lied von Dietrich Fischer-Dieskau vorgespielt haben.
kreuzer: Werden Sie Ihre Karriere als Regisseur fortsetzen, vielleicht mit einer »Reifeprüfung« reloaded?
HOFFMAN: Nicht mit einer »Reifeprüfung«, aber hoffentlich mit anderen Projekten. Anderen Schauspielern Anweisungen zu geben, war ein ganz grandioses Vergnügen für mich. Schauspieler wollen ihre Freiheit und auch die Möglichkeit zu versagen – und das bekommen sie bei Dreharbeiten nicht häufig geboten.