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Filmkritik

Liebeserklärung an die Mutter

Mit »Vergiss mein nicht« zeichnet David Sieveking ein feinfühliges Familienporträt

  Liebeserklärung an die Mutter | Mit »Vergiss mein nicht« zeichnet David Sieveking ein feinfühliges Familienporträt

Durch die Alzheimererkrankung seiner Mutter entdeckt David Sieveking den Schlüssel zu ihrer Vergangenheit. Seine Mutter war in revolutionären Gruppen aktiv, lebte mit Sievekings Vater in einer offenen Beziehung und engagierte sich in Frauengruppen.

Gretel und Malte haben sich kennengelernt, verliebt, miteinander gelebt, sie führten eine offene Ehe und zogen drei Kinder gemeinsam groß – kurz: Sie sind miteinander alt geworden. Doch als Gretel an Demenz erkrankt, verblassen allmählich ihre Erinnerungen. Worauf die über vierzig Jahre Ehe aufgebaut sind, geht ihrem Gedächtnis nach und nach verloren. Malte bringt es trotzdem nicht übers Herz, seine Frau in ein Pflegeheim zu geben, und kümmert sich so gut er kann selbst um Gretel. Die Verantwortung für Familie, Haushalt und Garten lastet nun allein auf seinen Schultern. Eine völlig neue Erfahrung für den pensionierten Mathematikprofessor, der sich auf einen ruhigen Lebensabend mit seinen Formeln und Gleichungen gefreut hatte.

Es kommt ihm daher nicht ungelegen, dass ihr jüngster Sohn, Dokumentarfilmer David Sieveking, für einige Zeit zurück zu seinen Eltern zieht und die Pflege seiner Mutter mit seinem Beruf verbinden möchte. Begleitet von der Kamera machen sich Sohn und Mutter auf die Suche nach Gretels Erinnerungen. Eine aussichtslose Reise, zumindest für Gretel. Den Regisseur aber führt die Filmarbeit in die ereignisreiche Vergangenheit seiner Eltern. Dabei beschönt der Film nichts, stellt seine Protagonisten zu keinem Zeitpunkt bloß. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass David Sieveking die Geschichte aus seiner subjektiven Perspektive als Sohn erzählt. Der Zuschauer gewinnt Sympathie für Gretel, die verwirrte alte Dame, deren Schicksal zwar tragisch, aber nicht ohne Liebe und Hoffnung ist.

Entstanden ist mit »Vergiss mein nicht« nicht nur ein einfühlsamer Dokumentarfilm über eine Familie, die sich mit der Krankheit der Mutter zu arrangieren versucht, sondern auch das Porträt einer einst emanzipierten und engagierten Frau.


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