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Kultur

»Geschwindigkeit ist ein Abfallprodukt von Kontinuität«

Schlagzeuger Sebastian Schmidt über Extreme Drummers, Gefühle und Mimosen

  »Geschwindigkeit ist ein Abfallprodukt von Kontinuität« | Schlagzeuger Sebastian Schmidt über Extreme Drummers, Gefühle und Mimosen

Zum dritten Mal lädt das Extreme Drummers Universe zum Festival der härteren Schlagzeugkunst. Mitveranstalter und Drummer der Leipziger Mimosis Sebastian Schmidt klärt auf, um was es geht.

kreuzer: Ein Festival für Metal-Drummer – auf wessen Mist ist die Idee gewachsen und was steckt dahinter?

SEBASTIAN SCHMIDT: Vor vier Jahren kam ich mit Ronny Graz aus Dresden (The Last Hangmen/Delta Cepheid) ins Gespräch, der mir von seiner Webseite Extreme Drummers Universe erzählte. Ich dachte mir: Wow, das ist genau das, was du auch schon immer machen wolltest – eine reine Plattform für extreme Schlagzeuger. Sei es Metal, Rock, Punk oder Drum’n’Bass. Als Ronny von der Festivalidee sprach und meinte, er würde das aus logistischen Gründen in Leipzig machen wollen, kam ich mit ins Spiel. Zusammen mit Clemens Frank von September Murder (Thale) setzten wir das Konzept, die Extreme-Schlagzeug-Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum unter einem Motto zusammenzufassen, um und das erste Festival ging »on air«.

kreuzer: Was passiert in den Workshops und wie habt ihr Szenegrößen wie Sir G von den Apokalyptischen Reitern gewinnen können?

SCHMIDT: Ganz einfach: E-Mail schicken. Die meisten finden die Idee so gut, dass wir da nicht lange verhandeln müssen. Dieses Konzept ist tatsächlich einmalig in der deutschen Schlagzeuglandschaft. In diesem Falle ist der Sir G absolut umgänglich und nach wie vor Metal-Drummer mit Leib und Seele. Keine Spur von Starallüren durch eine Reitermanie zu erkennen.

kreuzer: Ihr seid von der Halle 5 in einen neuen Veranstaltungsort gezogen, was ist dort anders?

SCHMIDT: Die Theaterfabrik ist größer und hat mehr technische Möglichkeiten, wie zwei Bühnen für Workshops und Konzert. Die Logistik ist besser zu verwalten. Natürlich war unsere erste Location kein Deut schlechter – jedoch brauchten wir mit dem vergrößerten Line-up auch einen dem entsprechenden Veranstaltungsort.

kreuzer: Über was muss man als angehender Metal-Drummer unbedingt verfügen? Muckis, Notenlesen ...?

SCHMIDT: Toleranz, Ausdauer, Wille, ein klares Ziel, Humor und Geduld!

kreuzer: Unterscheidet sich das Metal-Schlagwerk vom normalen Rock-Drum durch die Schnelligkeit?

SCHMIDT: Diese Frage spaltet natürlich die Gemeinde. Tatsächlich geht es vielen um Geschwindigkeit. Manchmal kommt es mir vor wie ein Wettbewerb, besonders bei der Youtube-Community. Doch Geschwindigkeit ist ein Abfallprodukt von Kontinuität. Wer lange übt, wird automatisch schneller. Das sollte allen voranstehen. Die Geschwindigkeit spielt im Metal eine besondere Rolle, ist sie doch ein beliebtes Mittel, um Aggressivität zum Ausdruck zu bringen und dem geneigten Zuhörer die ganze Last des Tages aus dem Kopf zu fegen. Den eigentlichen Unterschied zwischen Rock- und Metal-Schlagzeug sehe ich in der Herangehensweise. Metal darf etwas überladen und überdimensioniert klingen, wohingegen ein Rocksong mit einer einfachen Struktur besser passt. Wer möchte denn AC/DC´s »Thunderstruck« mit Ghostnotes und Doublebass hören wollen?

kreuzer: Hast du einen Tipp für Anfänger?

SCHMIDT: Dazu fällt mir mein Lieblingswitz ein: Eine Frau steht in Dresden an einer Haltestelle. Eine zweite kommt hinzu und fragt: »Können Sie bitte mir sagen, wie ich in die Semperoper komme?« Die andere: »Ja, üben, üben, üben!« Im Ernst, die oben aufgeführten Dinge wie ein klares Ziel, Ausdauer und Geduld sind in Kombination ein guter Ausgangspunkt für den Start. Youtube und Gespräche mit namhaften Schlagzeugern haben meinen Schlagzeug-Horizont erweitert.

kreuzer: Laut einer Studie des Leipziger Max-Planck-Instituts sind Metal-Drummer sehr sensibel. Wie viel Gefühl muss man als solcher mitbringen?

SCHMIDT: Als Musiker sollte man immer mit viel Gefühl an die Sache herangehen. Davon lebt die Musik – vom Gefühl. Alles andere erachte ich als harmlosen Zeitvertreib.

kreuzer: Mimosis, euer Bandname, klingt auch nach viel Gefühl. Nach Namen fragt man ja Bands nicht, also: Welches Grundgefühl schwingt bei Mimosis mit?

SCHMIDT: Hat doch der Bandname weniger mit Gefühl als mit Selbstironie und der Liebe zu Musik zu tun … Die Mimosen waren ein südamerikanischer Stamm zu Zeiten der Inkas, die durch ihre eigenwillige Kriegstaktik für Aufsehen sorgten. Laut Überlieferung vermochten sie durch Gesang den Gegner zu bezwingen.

kreuzer: Eure letzte Scheibe liegt ein paar Jahre zurück. Ist was Neues in der Pipeline?

SCHMIDT: Wir entern in ein paar Wochen das Studio, um eine kleine Vorab-EP einzuspielen. Diese soll als Einstimmung auf das im nächsten Jahr kommende Album fungieren. Drei neue Songs werden wir auch auf dem Extreme Drummers Universe zum Besten geben.

kreuzer: Bist du nervös, wenn man dir als Veranstalter beim Trommeln dann direkt auf die Finger gucken kann?

SCHMIDT: Nein. Ich bin eher nervös, ob wir mit dem Festival dieses Jahr wieder den richtigen Nerv treffen.


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Folge XXVII: Räuberchen Schwarz und der Plattenspecht (cr027) 07.04.2013 | um 18:18 Uhr

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