anzeige
anzeige
Stadtleben

»Das Unperfekte macht den Reiz aus«

Tobias Rank bringt mit dem Wanderkino Stummfilme mit Live-Musik in den Park

  »Das Unperfekte macht den Reiz aus« | Tobias Rank bringt mit dem Wanderkino Stummfilme mit Live-Musik in den Park

Das Wanderkino bereist mit seinen Stummfilmvorführungen seit 14 Jahren die deutschen Lande und gastiert vom 11. bis 31. Mai auch wieder auf der Warze im Clara-Zetkin-Park. Die Leipziger Tobias Rank und Gunthard Stephan sind die Macher hinter dem Projekt und begleiten die bewegten Bilder mit Live-Musik. Im kreuzer-Interview spricht Rank über ratternde Projektoren, Nostalgie aus Tradition und die mit den Zuschauern geteilte Leidenschaft für die Musik.

kreuzer: Das Besondere an Ihren Stummfilmvorstellungen ist die handgemachte Musik. Warum nicht einfach Musik aus der Box?

TOBIAS RANK: Die handgemachte Musik ist eigentlich der Hauptaspekt unserer Vorführungen. Wir sind Berufsmusiker und haben hier in Leipzig studiert. Die Musik ist letztlich eine Antwort auf die oft gestellte Frage: Warum wir Stummfilme zeigen? Weil wir die Filme als Musiker begleiten können. Dieser Aspekt erscheint mir auch heutzutage immer wichtiger, weil ich sehe, dass die Zuschauer die Filme darüber erst wirklich annehmen. Klar werden überall mal Stummfilme gezeigt, aber eben nicht in dem Ambiente, wie wir das machen: Draußen, mit dem Feuerwehrwagen, mit der Musik. Das ist schon einzigartig.

kreuzer: Improvisieren Sie oder studieren Sie die Stücke ein?

RANK: Die Musik ist zum allergrößten Teil improvisiert. Wir kennen die Filme sehr gut, sehen sie uns aber vor den Aufführungen oft auch nochmal genau an und reden darüber. Die Qualität entsteht dann mit den Aufführungen. Was nicht heißt, dass die Musik am Anfang schlechter ist als bei der zehnten Vorstellung. Aber sie ist auf jeden Fall anders. Ein Programm gewinnt einfach mehr und mehr, desto häufiger wir es spielen.

kreuzer: Sie verwenden hauptsächlich alte Filmprojektoren, selten digitale Technik. Sehen Sie im Wanderkino auch eine Bewegung gegen das moderne Kino mit Computereffekten und 3D-Technik?

RANK: Die Bewegung gegen das neue Kino kommt ganz von selbst. Wir sind durchaus auch in gewisser Weise sehr moderne Menschen, finde ich, aber das Historische liegt einfach in unserer Natur. Selbst Stummfilm-Feste wie das in Bonn, bei dem jedes Jahr im August eine Woche lang Stummfilme gezeigt werden, verwenden Beamer anstelle der alten Projektoren. Viele sprechen uns darauf an und finden es toll, dass wir die immer noch nutzen. Die Zuschauer mögen das genauso wie wir, wenn da im Hintergrund so ein Projektor rattert. Das geht nur nicht bei den neuen Filmen, von denen wir ja ebenfalls ein paar im Leipzig-Programm haben. Die können dann natürlich nicht mit 16-Milimeter abgespielt werden. Klar hat die moderne Technik viele Vorteile wie eine bessere Bildqualität und unkompliziertere Lichtverhältnisse für die Vorführung. Aber viele Zuschauer merken: Da fehlt was. Zwar passiert es mit der alten Technik schon mal, dass der Film reißt. Aber das Unperfekte macht mit den Reiz aus.

kreuzer: Die meisten Leute dürften mit dem Wanderkino am ehesten Ihr altes Feuerwehrauto, den Magirus Deutz, identifizieren. War auch hier die Nostalgie Mutter des Gedanken?

RANK: Der Deutz passt gut zu unserem Kino, weil es so ein altes Fahrzeug ist und die einfache Assoziation zulässt: Altes Fahrzeug – alte Filme. Aber es dient dem Ganzen wirklich nur als Bühne, insofern wir bei Open-Air-Vorführungen die Leinwand daran befestigt haben. Aber es dient uns natürlich auch auf unseren Touren als Wohnmobil.

kreuzer: Das Wanderkino ist inzwischen seit rund 14 Jahren unterwegs. Was treibt Sie an, immer weiterzumachen?

RANK: Das beste Lob ist für mich als Stummfilmmusiker ist ja immer, wenn Leute nach der Vorführung sagen: »Ach, wir haben die Musik irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen, weil sie so mit dem Film zusammenging.« Ich finde, so soll es sein. Die Musik dient dem Film, ganz klar. Es gibt zwar Stellen, wo die Musik mal mehr und mal weniger hervortritt. Doch in den Momenten, wo sie mit dem Film eine Einheit bildet, dann ist die Vorführung geglückt.


Kommentieren


0 Kommentar(e)