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Kultur

»Das Radio entgrenzen«

Das freie Radio Corax aus Halle lädt ab heute zum Kunstfestival »Addicted2Random«

  »Das Radio entgrenzen« | Das freie Radio Corax aus Halle lädt ab heute zum Kunstfestival »Addicted2Random«

Radio Corax goes Art: Warum sich das freie Lokalradio Halle mit »Addicted2Random« in die Kunst einmischt und was man vom Zufall lernen kann. Ein Interview mit der Kuratorin Helen Hahmann.

kreuzer online: Was treibt ein freies Radio in die Kunst?

HELEN HAHMANN: Wie schon beim Festival »RadioRevolten« 2006 unternimmt Corax auch bei der Ausrichtung des diesjährigen »Addicted2Random«-Festivals den Versuch, Radio zu entgrenzen. Den aktuellen Anlass bietet das Kooperationsprojekt mit der Radiofabrik Salzburg, dem Medienkunstzentrum Hangar in Barcelona und der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom. Corax diskutierte über mehrere Monate mit diesen drei Partnern über die Bedeutung von partizipativer, computergenerierter Musik für zukünftige Radio(-kunst-)formen. »Addicted2Random« präsentiert Radiokunst als eigenständige Kunstform und setzt einen Startpunkt für ein weiterführendes Nachdenken über transakustische, radiophone Prozesse.

kreuzer online: Das Thema des Festivals lautet »Spiel des Zufalls«. Warum gerade der, Corax geht es doch in aller Regel um politische Bildung? Und das Prinzip Selbstverwaltung widerspricht doch auch Zufall und Willkür?

HAHMANN: Bei Radio Corax wirken mehr als 240 Menschen sowohl ehrenamtlich als auch aktiv an der Programmgestaltung mit. Über das Radioprogramm hinaus ist Radio Corax außerdem an lokalen, regionalen und internationalen Projekten beteiligt, die soziokulturelle, medienpädagogische und künstlerische Bereiche tangieren. Für »Addicted2Random« haben wir die Kategorie »Zufall« im philosophisch-künstlerischen Sinne aufgegriffen.

kreuzer online: Wie viel Zufälligkeit verträgt die Kunst? Es gibt Zufallsfunde, aber auch eine Zufallskunst?

HAHMANN: Einige der möglichen Antworten auf diese Fragen versuchen wir mit Hilfe unseres »Random Time Radio« zu finden. Georg Wellbrock stellt das 48-stündige Begleitprogramm auf Radio Corax zusammen. Es startet am 10. Juli ab 21 Uhr auf UKW und via Livestream und versucht den Zufall, das Beiläufige (sowohl das Ungeplante, als auch das Ignorierte – weil Alltägliche, das Unscheinbare) in der schaffenden Audiokunst abzubilden, indem es mit Hilfe experimenteller und ungewollter Vorgehensweisen, aber auch durch technisch generierte Zufällig- und Abhängigkeiten Musik- und Geräuschkulissen erschafft.

kreuzer online: Ist Kunst nicht gerade dadurch bestimmt, gewollt und nicht zufällig zu sein?

HAHMANN: Der Komponist Iannis Xenakis hat auf diese Frage mal geantwortet: »Es ist von Vorteil, den Zufall als ein ästhetisches Gesetz, als eine regelrechte Philosophie zu definieren. Der Zufall ist der Grenzbegiff der sich entwickelnden Symmetrie.«

kreuzer online: »The Ways Things May Go« nennt sich eine Netzwerkinstallation, bei der die Kunstobjekte interagieren sollen. Wie funktioniert das und welche Wege könnten die Dinge gehen?

HAHMANN: Es ist eine Installation kausal vernetzter Prozesse. Im Händel-Haus werden insgesamt 16 Prozesse in die Musikinstrumentensammlung integriert. Tobias Purfürst, einer der ausstellenden Künstler, beschreibt es so: »Die Arbeit auf die wir uns bezogen haben, war der Film ›Der Lauf der Dinge – The Way Things Go‹ aus dem Jahr 1987. Dort wurden Kettenreaktionen von umstürzenden Objekten und chemischen Reaktionen gefilmt, ähnlich einer Dominokette. Diesen Gedanken haben wir mit Hilfe von Computern neu übersetzt. Es gibt eine Kausalität: Ein Objekt bedingt den Ablauf des nächsten Objektes. Wir nutzen dafür die Möglichkeiten der digitalen Technik. Es gibt den Ablauf der Dinge, aber jedes Objekt mit einem bestimmten Ablauf hat mehrere Ausgänge. Das heißt, es ist nicht klar, welches Objekt in der Kette angeschoben wird. In diesem Rahmen sind im letzten Jahr von mehreren Studenten verschiedene Arbeiten entstanden. Diese haben alle einen Ausgangspunkt. Es beginnt ein mechanischer Ablauf und am Ende des Ablaufs gibt es eine Auswertung, auf die es zwei bis acht Reaktionsmöglichkeiten gibt. Dort wird dann entschieden, welche Installation als nächstes ausgelöst wird. Dadurch handelt es sich bei unserer Ausstellung nicht nur um eine Kette, sondern um ein komplexes Netzwerk.«


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